galt es, die Verbundenheit zur saarländischen Heimat durch die Gründung weiterer
Vereinigungen, die Veranstaltung „heimatdialektischer Unterhaltungs- und Kunst¬
abende“ oder Vorträge über das Saargebiet sowie zwanglose Zusammenkünfte zu
demonstrieren. Auch der Bezug des Bundesorgans „Saar-Freund“ und die Suche
nach neuen Abonnenten sollte zu den selbstverständlichen Aufgaben der Mitglieder
zählen. Im Bereich der Flüchtlingsfürsorge legte Vogel nahe, mit den örtlichen
Fürsorgestellen des Zentralkomitees der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz zu
kooperieren. Dem stand eine im Stillen wirkende Propaganda gegenüber. Die Mit¬
glieder der Ortsgruppen sollten die Kontakte zu ihren Freunden, Verwandten und
Bekannten im Saargebiet nicht nur zu deren moral ischer Unterstützung aufrechterhal¬
ten, sondern ihre Verbindungen zugleich zur Nachrichtenübermittlung nutzen. Über
alle wichtigen Ereignisse und insbesondere alle Schritte der französischen Propa¬
ganda im Saargebiet sollte die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ unverzüglich in Kennt¬
nis gesetzt werden128. Da auch nach Antritt der Regierungskommission die Brief- und
Postzensur verhinderte, daß größere Mengen an Propagandamaterial und Druck¬
schriften zentral von Berlin aus an die Saar geschickt werden konnten, verfügte die
Geschäftsstelle dank der zunehmenden Zahl von Ortsgruppen über eine Vielzahl von
Tarnadressen außerhalb der Reichshauptstadt129. Auf diese Weise wurde auch das
Verbot des „Saar-Freund“ im Saargebiet unterlaufen.
Mit dem Hinweis auf die hohen Herstellungskosten des Bundesorgans schärfte Vogel
den Ortsgruppen ein, alle nicht für die eigene Arbeit benötigten Geldmittel an die
Geschäftsstelle „Saar-Verein“ abzuführen. Gerade in diesem Punkt erfüllten die
Ortsgruppen die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Ihre Zahlungsmoral war so
schlecht, daß sich die Geschäftsstelle mehrfach gezwungen sah, auf die satzungs¬
mäßigen Pflichten ihrer Mitglieder hinzuweisen; während der Inflation mündete dies
in der offenen Drohung, in den Städten, aus denen bislang keine Beiträge eingegan¬
gen waren, wieder verstärkt selbst finanzkräftige Einzelmitglieder zu werben. Ver¬
ständlicherweise provozierte die Königgrätzer Straße damit Widerstand und Span¬
nungen zwischen Zentrale und untergeordneten Filialen13". Wenn auch die Über¬
weisung von Geldbeträgen durch die Ortsgruppen eher zur Ausnahme zählte131,
2S Vgl. Richtlinien (August 1920), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 1. Bezeichnenderweise wurden
diese ersten Richtlinien für die Ortsgruppenarbeit schon im Vorfeld der Bielefelder Gründungstagung
von der GSV versandt und nicht erst dort gemeinsam beschlossen.
129 Wie notwendig diese Maßnahme war, zeigt ein Schreiben des Stabschefs der Rheinarmee an das
Außenministerium (30.12.22, in: M AE, Sarre 116), demzufolge das französische Militär die Ver¬
breitung prodeutscher Druckschriften unterband und dabei auf spezielle Absender und Adressaten
achtete. Die Beamten der Grenzbahnhöfe richteten ihr besonderes Augenmerk auf die Berliner GSV.
130 „Bei der Gelegenheit möchten wir einmal ganz offen zum Ausdruck bringen, daß die Ortsgruppen
nicht die melkende Kuh für alle möglichen Geldsammlungen sein können. Im allgemeinen sind wir
froh, wenn wir unsere Beiträge einbekommen.“: Brief der Ortsgruppe Hamburg an die GSV (Novem¬
ber 1927), in: BA-R 8014/388.
131 Unter weitgehend normalisierten wirtschaftlichen Bedingungen pendelten sich 1924 wie schon vor
dem Höhepunkt der Inflation die tatsächlich eingegangenen Jahresbeiträge der Ortsgruppen auf etwa
5% aller Beitragseinnahmen (1.219,95 RM) ein, während die Zuwendungen von den Städten, Kreisen
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