eine, verschiedenster Jugendgruppen, Wehrverbände und Gesellschaften treffend als
fiebrigen
„Dauerzustand aus Kundgebungen und Geheimtreffen, Verbandsneugründungen und -auflösun-
gen, gekennzeichnet eher durch Stimmungen und Personen als durch Interessen und Programme.
Die Abgrenzung zwischen den Gruppen und Bünden war nicht scharf, Doppel- und Mehrfachmit¬
gliedschaften üblich“.35
In dieses Netzwerk der unzähligen, schon im Kaiserreich etablierten oder nach der
politischen Neuordnung nach 1918 aus der Taufe gehobenen Organisationen der
Deutschtumspflege, war naturgemäß auch die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ einge¬
bunden. Die hierzu erhaltenen Akten im Bundesarchiv lesen sich daher wie das „Who
is who?“ des deutschen Jrredentismus bzw. wie ein Verzeichnis vaterländischer
Verbände, Landsmannschaften und nationalistischer Vereinigungen36. Für die
Geschäftsstelle erwiesen sich die Kooperationen als vorteilhaft: Da die Saarfrage auf
diese Weise ebenfalls bei Schwesterorganisationen thematisiert wurde, vergrößerte
Vogel die Stoßkraft seiner Propaganda, ohne dafür auf eigene Ressourcen zurück-
greifen zu müssen. Die Einbindung in größere Dachverbände engte zwar auf der
einen Seite die Bewegungsfreiheit ein, bot aber andererseits einer im Aufbau befind¬
lichen Organisation eine Lobby für ihre Anliegen und sicherte dabei zugleich das
finanzielle Überleben. Da die in der Provinz verstreuten Ableger der Partner oftmals
die ersten Anlaufstellen in Saarangelegenheiten waren, konnte der Bund leichter auf
Reichsebene expandieren37 38.
Auch wenn die Palette der Kooperationspartner der Geschäftsstelle „Saar-Verein“
von der „Deutschen Liga für Völkerbund“ bis zum „Deutsch-Nationalen Handlungs¬
gehilfenverband“ reichte, so dominierten die Verbindungen zu rechtslastigen, mit¬
unter auch völkischen Organisationen. Derartige Kontakte handelten dem Bund den
Vorwurf der Einseitigkeit ein und rückten ihn in das nationalistische Lager. So wenig
diese Verbindungen von der Hand zu weisen sind, so trifft die Schuld doch nur zum
Teil die Geschäftsstelle „Saar-Verein“: Sie war - wenn auch nicht unbedingt aus der
inneren Überzeugung ihrer Führungskräfte heraus - prinzipiell zur Zusammenarbeit
mit allen Organisationen bereit, die sich dem Kampf gegen die französische Vorherr¬
schaft bzw. die Völkerbundsverwaltung an der Saar verschrieben hatten. Daß ihre
aggressive Polemik gemäßigte und verständigungsbereite Vereinigungen eher abstieß,
während sie bei den vaterländischen, national bis nationalistischen und irredenti-
stischen Verbänden offene Türen einrannte, führte letztendlich zu den wenig ausge¬
wogenen Kontakten'8. Wie sich regelmäßig an den heftig geführten Verteilungs¬
“ Herbert: „Generation der Sachlichkeit“, S. 35. Vgl. hierzu allgemein: Möhler. S. 64 f.
36 Siehe hierzu: BA-R 8014/708-801. Der BdS erscheint in der Übersicht Möllers (S. 61) unter den
„Verbanden für deutsch-französische Grenzpolitik“.
Auch die Ortsgruppen kooperierten mit anderen Verbänden wie dem „Jungdeutschen Ordens“ oder dem
„Alldeutschen Verband“: Vgl. SF 10(1929) 12/13, S. 285; SF 11 (1930) 21, S. 399.
38 Ein anschauliches Bild ergeben die Begrüßungstelegramme befreundeter Verbände anläßlich der
Bundestagungen: Vgl. die Auflistung zur ersten Versammlung in Kassel (April 1921), in: LA Saar¬
brücken, Saar-Verein 1; SF 2 (1921) 8, S. 96.
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