schiedenen Schlachtfeldern gelassen hatten, bezichtigte er die Juden pauschal, sich
während des Krieges ihrer Pflichten entzogen zu haben20.
Für den Kriegsteilnehmer Vogel war es nach dem Einzug der Franzosen eine Ehren¬
sache, die Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern in Saarbrücken zu verwei¬
gern, da dies zur Konsolidierung der Verhältnisse beigetragen hätte. Konsequenter¬
weise lehnte er das Angebot der Bergwerksdirektion ab. den „Bergmannsfreund" für
die französische Verwaltung weiterzuführen21. Statt dessen regte er im Januar 1919
in der Stadtverordnetenversammlung vergeblich eine Erklärung an, in welcher
Saarbrückens Verbundenheit zum Reich und Preußen zum Ausdruck gebracht
werden sollte. Diese Proklamation scheiterte im Ratsgremium, das nicht Gefahr
laufen wollte, die Franzosen zu brüskieren22. Daß Vogel auch vor gezielter Provoka¬
tion der Besatzung nicht zurückschreckte, demonstrierte er am 18. Januar (dem
Reichsgründungstag) und 27. Januar anläßlich des Kaisergeburtstages, als er sich in
Offiziersuniform zeigte23. Der Konflikt mit der Besatzungsbehörde war abzusehen,
und so wurde der Generalstreik der Bergleute im April I91924 zum willkommenen
Anlaß, die Ausweisung des halsstarrigen Redakteurs zu verfügen: Nachdem Ende
März bereits erste Ausweisungsbefehle vollstreckt worden waren, verwies die
Militärverwaltung nach dem 5. April etwa 50 Personen des besetzten Gebietes.
Betroffen waren vor allem Staats- und Kommunalbeamte in führenden Positionen,
Rechtsanwälte, Geistliche, Parteiführer und Lehrer sowie Angehörige der Bergbehör¬
de, denen als „sujets les plus dangereuses“ die Störung der öffentlichen Ordnung
vorgeworfen wurde2'. Gemeinsam mit den beiden späteren Vorsitzenden des Bundes
der Saarvereine, Dr. Otto Zillessen und Dr. Otto Andres, traf dieses Schicksal am 8.
April 1919 auch Theodor Vogel. Mit der Deportation des Redakteurs in ein Ge¬
fangenenlager bei Worms war zugleich das Ende des „Bergmannsfreunds“ besiegelt.
Die Kontaktaufnahme zwischen Vogel und dem Saargebietsschutz erfolgte auf
Vermittlung des ebenfalls ausgewiesenen ehemaligen Reichstags- und Landtagsabge¬
ordneten Prof. Friedrich Herwig, der Vogel Ende April 1919 riet, der Berliner
2,1 Vgl. Brief Vogels an seinen ehemaligen Bataillonskommandanten Meißner (17.11.19), in: BA-R
8014/141. Vgl. hierzu: JOCHMANN und Winkler: Juden als „Blitzableiter“. Einige Ressentiments, die
sich allerdings vom „Radauantisemitismus“ völkischer Kreise unterschieden, lassen sich aus seiner
neuen Lebenssituation in der Millionenmetropole Berlin erklären, ln Saarbrücken gab es zwar auch eine
etwa 2.000 Köpfe starke jüdische Gemeinde, deren Mitglieder aber weitgehend assimiliert waren und
am gesellschaftlichen Leben der Doppelstadt teilnahmen: Vgl. hierzu: MARX, S. 160-197. In Berlin
hingegen, wo etwa ein Drittel der deutschen Juden und unter ihnen viele orthodoxe Ostjuden lebten, traf
Vogel auf eine eigenständige, ihm bislang unbekannte und fremde jüdische Kultur.
21 Vgl. Autobiographie Vogels aus dem Jahr 1940, in: LA Saarbrücken. NL Vogel 39.
22 Vgl. SF 7 (1926) 23, S. 422; SF 11 (1930) 20, S. 375, Angeblich war diese Entschließung verant¬
wortlich für die Ausweisung Vogels: Vgl. Autobiographie Vogels aus dem Jahr 1940. in: LA Saar¬
brücken, NL Vogel 39.
21 Vgl. Bruch: Bergmannsfreund, S. 82.
24 Vgl. Mallmann/ Steffens, S. 119.
Eine Liste der 1919/20 ausgewiesenen Personen mit 230 Namen in: ECKLER. Vgl. BRUCH: Franzosen
im Saargebiet. S. 56-67; SF 10(1929)9, S. 168-171. Vogels Schicksal in: SF I (1920) I, S. 7 f.
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