Full text: ‚‚Deutsch die Saar, immerdar!‛‛ (40)

nachdem die Reichsregierung auf der Sondersitzung der Nationalversammlung ihr 
„Unannehmbar“ zum Ausdruck gebracht hatte, fand am 18. Mai 1919 im Dresdener 
Residenztheater eine Protestveranstaltung gegen den Raub des Saargebiets statt70. 
Es genügte allerdings nicht, derartige Kundgebungen zu veranstalten, sondern der 
Saargebietsschutz mußte auch dafür Sorge tragen, daß die Saarländer hiervon er¬ 
fuhren. Obwohl in den saarländischen Zeitungen durchaus über Kundgebungen 
gegen die Unterzeichnung des Versailler Vertrages oder die Abtrennung der Ost¬ 
gebiete berichtet wurde71, fehlte jeder Hinweis über saarspezifische Versammlungen 
im Reich, die Gründung des Saargebietsschutzes oder dessen propagandistische 
Tätigkeit. Es darf der französischen Besatzungsbehörde unterstellt werden, daß sie 
mit dieser Presselenkung den Eindruck schüren wollte, das unbesetzte Deutschland 
habe sich bereits ebenso wie die Reichsregierung mit der französischen Annexion der 
Saar abgefunden - mit ein Grund dafür, daß die ohnehin nicht stark politisierten 
Saarländer enttäuscht und resigniert ihren Rückzug ins Privatleben antraten. Zugleich 
versuchte der Saargebietsschutz auch in die andere Richtung zu wirken und Sprach¬ 
rohr für die Saarländer zu sein, die aufgrund der französischen Zensur nicht ihre 
politische, wirtschaftliche oder nationale Position artikulieren konnten. Trotz der 
hermetischen Abriegelung durch die französischen Behörden erfolgte über Ver¬ 
trauensmänner des Saargebietsschutzes ein wechselseitiger Austausch von Informa¬ 
tionen aus dem Saargebiet und dem unbesetzten Deutschland über den Rhein 
hinweg72. Im Frühjahr 1919 schaltete die Geschäftsstelle verschiedene Zeitungs¬ 
inserate, in welchen sie bat, ihr jede noch so belanglos scheinende Nachricht aus dem 
Saargebiet und den angrenzenden Gebieten der Rheinpfalz zukommen zu lassen73. 
Vermutlich konnte man auf ehemalige Mitarbeiter der Kriegsamtsstellen beim 
Generalkommando74 zurückgreifen. Ungefährlicher und diskreter ließen sich Infor¬ 
Schock nach der zerplatzten Illusion des Rechtsfriedens und der Wunsch, seiner Entrüstung Ausdruck 
zu geben, garantierte den notwendigen Massenandrang. Der SGS kam mit seinen Kundgebungen also 
nur einem breiten Bedürfnis in der Bevölkerung nach, zumal noch immer die Gefahr bestand, daß die 
reichsdeutsche Bevölkerung in erster Linie an der Schaffung normaler Zustände interessiert war. 
<J Auf Einladung des „Sozialen Freiheitsbundes, Abt. Saargebietsschutz“ wurden die inzwischen bekann¬ 
ten Saargebietsklauseln als potentieller Keim neuer kriegerischer Auseinandersetzungen verworfen, und 
das Saarproblem auf eine reine Kohlenlieferungsfrage zwischen Deutschland und Frankreich reduziert. 
Siehe hierzu das Flugblatt und Zeitungsausschnitte von Mai 1919, in: BA-R 8014/837. 
1 Vgl. beispielsweise S.Z. Nr. 82 (25.03.19) und Nr. 83 (26,03.19). 
72 Vgl. SF 15 (1934) 16/17, S. 314 f. Vgl. exemplarisch die Schilderung des später ausgewiesenen Pfarrers 
de Haas, der vermeintlich frankophile Persönlichkeiten in seiner Heimatstadt Saarlouis anprangerte. 
Seine Informationen verarbeitete Herbert Stegemann in einem Artikel in „Der Heinzeimann“ vom 
01.04.19, in: BA-R 8014/5. 
Vgl. Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung 4 (1919) 15/16. S. 428. Derartige Appelle blieben 
auch dem Besatzungsapparat der Franzosen nicht verborgen; der Etat-Major de 1’Armee in Mainz leitete 
entsprechende Zeitungsausschnitte dem Quai d'Orsay weiter: Vgl. MAE. Sarre 1. 
4 Vgl. KLEIN: Das stellvertretende Generalkommando, S. 160 f. Das Fehlen schriftlich fixierter Ab¬ 
kommen in den Akten spricht jedenfalls nicht gegen diese Vermutung, da Kooperationen in dieser 
trühen Phase eher formlos vonstatten gingen. Die Zentrale fiir Heimatdienst befand sich zu dieser Zeit 
noch im Umbruch. Sie war während des Frühjahres 1919 mit der Abwicklung der militärischen 
Propagandastellen beschäftigt und verfügte in der Provinz noch über keinen starken organisatorischen 
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