Full text: ‚‚Deutsch die Saar, immerdar!‛‛ (40)

tation. wie sie Max Weber schon in Heidelberg ins Feld geführt hatte, auf die Bedeu¬ 
tung der Saar für die deutsche Friedenswirtschaft hingewiesen. Eine abschließende 
Resolution appellierte entweder an die deutsche Regierung, das Saargebiet nicht 
preiszugeben, oder das (feindliche und neutrale) Ausland, den Saarländern Gerech¬ 
tigkeit widerfahren zu lassen. Wie auch bei den späteren Veranstaltungen des Bundes 
der Saarvereine vermischten sich auf den Protestkundgebungen des Saargebiets¬ 
schutzes und seiner Sympathisanten zwei Strömungen: Einerseits wollte man die 
Bevölkerung durch Vorträge aufklären und für das Problem sensibilisieren66, auf der 
anderen Seite gehörte die Emotionalisierung der Saarfrage durch den beabsichtigen 
Massenauflauf zum integralen Bestandteil des Konzepts. Dabei war das äußerste, was 
von den Teilnehmern erwartet wurde, deren physische Präsenz, ihre Akklamation zu 
der Resolution und gegebenenfalls ihre Unterschrift auf einer ausgelegte Protest¬ 
liste67. Weitergehende Pläne wie das Sammeln finanzieller Mittel oder gar der feste 
Zusammenschluß in Saarvereinigungen bestanden im Frühjahr 1919 noch nicht. 
Der Schwerpunkt der etwa 30 Propagandakundgebungen im Reich lag im sächsisch¬ 
thüringischen Raum und in den rechtsrheinischen Städten zwischen Kassel und 
Stuttgart68. In Bayern waren derartige Versammlungen in der Zeit der Freikorps¬ 
kämpfe nicht möglich, der Norden und Osten des Reiches hatte - abgesehen von der 
räumlichen und damit verbundenen gefühlsmäßigen Distanz - selbst gegen territoria¬ 
le Verluste zu kämpfen, und in den linksrheinischen Städten konnten derartige 
Kundgebungen nur unter einer vorgeschobenen Tagesordnung stattfinden, wenn sie 
nicht Gefahr laufen wollten, von den Besatzern unterbunden zu werden. Vor allem 
schien dort das Rheinland als Ganzes und nicht nur die Saar bedroht. Derartige 
Kundgebungen rissen auch in der entscheidenden Phase nach Überreichung des 
ernüchternden alliierten Friedensvertragsentwurfes nicht ab69 *: knapp eine Woche, 
66 Die Notwendigkeit des SGS als Informationsquelle weist die populäre saarländische Schriftstellerin 
Liesbet DILL (1877-1962) in ihrem Roman „Wir von der Saar“ (Stuttgart 1934) nach: Im Mittelpunkt 
der Erzählung steht das Schicksal des Saarländers Hans Helder, der nach dem Zusammenbruch des 
Kaiserreichs eine Schule im unbesetzten Teil Deutschlands (Halle) besucht und seine dortigen Ein¬ 
drücke wie folgt schildert: „Die meisten Mitschüler hatten den Rhein nie gesehen, und von der Saar 
wußten sie kaum etwas anderes, als daß sie ein Nebenfluß der Mosel war. In den Zeitungen standen 
Nachrichten über den besetzten Rhein, das Ruhrgebiet, über Schlesien und Ostpreußen, von der Saar 
fand er wenig. Die Zeitungen kamen nicht mehr über den Rhein, und Reisen ins Saargebiet konnte man 
nur mehr mit der Erlaubnis der französischen Behörden unternehmen, und es dauerte wochenlang, bis 
sie kam.“ (S. 96). 
67 Beispielsweise wurden im thüringischen Mühlhausen nach einer Protestversammlung unter Beteiligung 
aller politischen Parteien insgesamt knapp 19.500 Unterschriften gesammelt: Vgl. Brief des Magistrats 
an den SGS (25.04.19), in: BA-R 8014/5. Nach Mitteilung des Stadtarchivs Mühlhausen vom 19.12. 
2002 zählte die Stadt am 01.01.19 selbst nur 32.689 Einwohner. 
68 In Berichten wurden explizit genannt: Clausthal, Cottbus, Dresden, Eisenach, Frankfurt am Main, 
Fulda, Gießen, Halle an der Saale, Hamburg, Hanau. Hannover. Heidelberg, Jena, Kassel, Leipzig, 
Liegnitz, Magdeburg, Marburg, Oldenburg, Salzwedel, Schmiedeberg und Stuttgart: Vgl. SF 10 (1929) 
4. S. 67; SF 15 (1934) 16/17, S. 314. Siehe auch: Vöelker,S, 233. 
69 Dies geschah mit wohlwollender Unterstützung der Reichsregierung: Siehe Kabinettssitzung vom 
09.05.19, in: AdR, Kabinett Scheidemann, Dok. 67. S. 308; Wippermann, S. 111-117. Solche 
Kundgebungen mußten nicht von amtlichen Stellen initiiert werden: Vgl. VOELKER, S. 230 ff. Der 
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