Full text: ‚‚Deutsch die Saar, immerdar!‛‛

Anders als in der Reichshauptstadt, wo sich schon am 10. November mit dem „Rat 
der Volksbeauftragten“ eine provisorische Regierung konstituiert hatte, traten die 
gemäßigten Revolutionäre in der saarländischen Provinz neben die bisherigen Autori¬ 
täten, ohne diese generell zu ersetzen. Sie sahen sich selbst bis zum Antritt einer 
demokratisch gewählten Regierung als Organe des Übergangs5. Die Aufbruch¬ 
stimmung im Kreise der Arbeiterschaft währte indes nur kurze Zeit: Mit der militäri¬ 
schen Besetzung der Saarregion durch französische Truppen endete auch dort die 
Episode der Räteherrschaft; am 24. November verfügte der französische kommandie¬ 
rende General Grégoire die Auflösung des Saarbrücker Arbeiter- und Soldatenrates 
sowie die Wiedereinsetzung des Oberbürgermeisters Mangold6. 
Wenige Tage zuvor hatte das Saarbrücker Bürgertum versucht, seinen eingebüßten 
Einfluß mit der Gründung eines Ausschusses zurückzugewinnen, der sich am 20. 
November im städtischen Saalbau einer breiten Öffentlichkeit präsentierte7 *. Er 
forderte die Durchführung von Wahlen zur Reichskonstituante, da dies am ehesten 
Gewähr zu bieten schien, die unter den revolutionären Ereignissen gewonnene 
Machtposition der Sozialdemokratie zu erschüttern. Zunächst bekannte der Ausschuß 
aber notgedrungen seine Bereitschaft zur befristeten Kooperation mit den Räten und 
dementierte Gerüchte, er beabsichtige eine Gegenrevolution. Bemerkenswert an den 
Kundgebungen und Sitzungen des Saarbrücker Bürgerausschusses waren weniger die 
dort verabschiedeten Resolutionen und Beschlüsse*, als vielmehr das, was nicht 
thematisiert wurde: Während die Legitimation der Räteherrschaft in Frage gestellt 
wurde, fanden noch keine Bekenntnisse zum Deutschtum statt. Die Gefahr der 
Separation des Saarindustriegebietes von Preußen bzw. Deutschland wurde dem¬ 
zufolge in der Phase des Übergangs nicht gesehen, und die Zugehörigkeit der Saar 
zum deutschen Staatsverband galt noch als Selbstverständlichkeit. Diese scheinbare 
Sicherheit geriet jedoch schon Ende des Monats ins Wanken, als in der französischen 
Presse Forderungen nach Rückgabe des 1815 „gestohlenen“ Gebietes laut wurden9. 
Gleichzeitig ließen die Maßnahmen der französischen Militäradministration in 
Saarbrücken ahnen, welches Schicksal der Saar drohte. Erst Mitte Dezember wurde 
nach dem Vorbild der Saarbrücker Bürgerschaft von 1815 eine Resolution ver¬ 
abschiedet, die dem Vorsitzenden der deutschen Waffenstillstandskommission in 
Berlin zur Weiterleitung an Wilson übergeben wurde. Das Saarbrücker Bürgertum 
5 „Nationale Unzuverlässigkeit“ war dem Arbeiter- und Soldatenrat nicht nachzusagen: Vgl. S.Z. Nr. 322 
(20.11.18). 
6 Vgl. MALLMANN: Arbeiter- und Soldatenräte in der Provinz, S. 94. Bekanntmachung in: S.Z. Nr. 326 
(24.11.18). Zugleich wurde Oberst Stuhl zum Leiter der Militärverwaltung in Saarbrücken ernannt. 
Vgl. im folgenden: S.Z. Nr. 322 (20.11.18); undatiertes Protokoll der Gründungsversammlung vom 
18.11.18, in: LA Saarbrücken, NL Schmelzer 7. Falsche Datierung bei BRUCH: Die Franzosen im 
Saargebiet, S. 12. Zu derartigen bürgerlichen Räten vgl. BIEBER, S. 49-71. 
s Vgl. undatiertes Protokoll der Gründungsversammlung vom 18.11.18 sowie undatiertes Protokoll der 
Sitzung vom 25.11.18, in: LA Saarbrücken. NL Schmelzer 7. S.Z. Nr. 323 (21.11.18); „Saarbrücker 
Volkszeitung“ Nr. 271 (21.11.18). 
9 Vgl. S.Z. Nr. 332 (30.11.18). Vgl. NOBLE, S. 206 ff. 
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