Affinität zum Nationalsozialismus, wenngleich dies in der Retrospektive anders
dargestellt wurde111.
Nach einer großzügig bemessenen Anschubfinanzierung durch die Preußische
Staatsregierung wurden die finanziellen Ressourcen der Geschäftsstelle „Saar-
Verein“ durch die galoppierende Inflation aufgezehrt. Selbst in den „Goldenen
Zwanzigern“ hatten die „Saar-Freunde“ einen Großteil ihrer Arbeitskraft darauf zu
verwenden, die erforderlichen Mittel bei ihren Mitgliedern, den angeschlossenen
Körperschaften, Verbänden, Kommunen, Ländern oder aus dem Reichsetat ein¬
zuwerben. Insbesondere während der beiden wirtschaftlichen Krisen 1922/23 und
1929-1932, als die Verteilungskämpfe um die staatlichen und privaten Gelder immer
erbitterter ausgefochten wurden, mußte sich die Geschäftsstelle „Saar-Verein" gegen
unerwünschte Konkurrenz auf dem Sektor der privaten Saarpropaganda wehren.
Die feststellbaren Reaktionen der Regierungskommission, des Völkerbundes oder der
französischen Regierung auf die Aktivität des Bundes der Saarvereine fielen deutlich
gemäßigter aus, als es zu erwarten gewesen wäre. Zum einen mag dies daran gelegen
haben, daß anfangs die propagandistischen Tätigkeiten der Geschäftsstelle hinter
ihrer karitativen Fassade verborgen werden konnten. Zum anderen dürfte in Paris der
Arbeit der Königgrätzer Straße in dem Maße weniger Bedeutung beigemessen
worden sein, wie die Erfolgsaussichten auf einen für Frankreich günstigen Ausgang
des Plebiszits schwanden. Im Saargebiet selbst war der „Saar-Freund“, das halbmo¬
natlich erscheinende Bundesorgan, auf Betreiben der Regierungskommission zwar
verboten, doch kursierte er dort dank des vereinseigenen Vertrauensmännersystems
trotzdem.
Die Gleichschaltung des Bundes der Saarvereine vollzog sich bis Sommer 1933 in
mehreren Etappen, während denen die nationalkonservative Vereinsführung versuch¬
te, strukturelle und personelle Eingriffe durch Anbiederung und vorauseilende
Loyalitätsbekundungen zu verhindern. Sie scheiterte dabei aufgrund der persönlichen
Ambitionen verschiedener Ortsgruppenvorsitzender, die innerhalb der nationalsozia-
listischen Polykratie neue Bündnispartner gefunden und den Koblenzer Gauleiter
Gustav Simon als Führer des Bundes ins Spiel gebracht hatten. Unter seinem Vorsitz
erfolgten gravierende Veränderungen: Nach der parteipolitischen Säuberung der
Ortsgruppenvorstände hielt auch innerhalb der stetig wachsenden und zunehmenden
lokalen Ableger das Führerprinzip Einzug, wodurch die letzen rudimentären Reste
der Überparteilichkeit beseitigt wurden. In den Publikationen des Bundes wurde
ebenso wie auf den unzähligen Vortragsveranstaltungen der Jahre 1933/34 fortan ins
nationalsozialistische Florn gestoßen. Für den ehrgeizigen Simon war der Bund der
Saarvereine allerdings lediglich Mittel zum Zweck, seine parteiinterne Hausmacht
10 Vgl. die Ansprache des langjährigen Bundesvorsitzenden Andres auf der Saarbrücker Abschlußtagung
(23.03.35), in: SF 15/16 (1934/35) 31, S. 686.
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