nen freigesetzt wurden und zu einer dauerhaften Separation der Saar vom Deutschen
Reich hätten führen können. Wenngleich Warnungen, die Saarländer könnten sich
aus dem Gefühl der Isolation heraus dem französischen Nachbarn anschließen5,
schon allein aufgrund der Sprachbarriere kaum ernst zu nehmen waren, bettete der
Bund seine Tätigkeit gerne in größere Zusammenhänge ein: Es gehe nicht um einen
15jährigen Widerstand, sondern um einen 1000jährigen Abwehrkampf gegen die
Bedrohung aus dem Westen6. Aus Gründen „völkischer, historischer und wirtschaftli¬
cher Gerechtigkeit“7 konnte Frankreich keine Ansprüche auf das Saargebiet haben,
und folglich wurde die phasenweise starke französische Saarpropaganda bei allen
sich bietenden Gelegenheiten bekämpft. Dabei schoß die Geschäftsstelle „Saar-
Verein“ auch über das Ziel hinaus, wenn sie beispielsweise den Entspannungskurs
zwischen Berlin und Paris sabotierte oder in der ihr eigenen Polemik den Genfer
Völkerbund attackierte.
Während die proklamierte überkonfessionelle Ausrichtung trotz der Dominanz der
protestantischen Vereinsführung kaum Anlaß zu ernsten Konflikten gab, konnten die
wenigen sozialdemokratischen Vertreter in den Ausschüssen ebensowenig wie die
Beteuerung, „Brennpunkt aller jener Kreise des deutschen Volkes [zu sein], die die
große vaterländische und weltpolitische Bedeutung der Saarfrage erkannt haben und
ihre Lösung in rein vaterländischem Sinne anstreben“8, kaum die einseitige Orientie¬
rung des Vereins kaschieren. National-patriotische Töne mischten sich mit nationali¬
stischen Parolen zu einem rechtslastigen Kanon, in welchen einzustimmen sich die
Vertreter linker Parteien schwertaten. Mit integrativen Parolen wie „Ein Volk, ein
Wille, ein Vaterland, von der Memel bis zur Saar!“9 sollten alle Deutschen ins Boot
der scheinbar überparteilichen Saarpropaganda geholt werden. Da die Skepsis der
Sozialdemokratie gegenüber derartigen Verlautbarungen vor allem angesichts des
sonstigen Auftretens der Saarvereinsmitstreiter nicht aus der Welt geschafft werden
konnte, blieb der Bund der Saarvereine letzten Endes eine Domäne der bürgerlichen
und rechtsstehenden Parteien. Diente die gebetsmühlenartig beteuerte Überparteil ich-
keit zu Weimarer Zeiten noch dazu, potentielle Interessenten aller nichtkommunisti¬
schen und prodeutschen Parteien anzusprechen, so fungierte sie nach der nationalso¬
zialistischen „Machtergreifung“ als Entschuldigung gegenüber dem neuen Regime,
früher mit dessen politischen Widersachern kooperiert zu haben. Abgesehen von
einigen nach 1933 aufgestiegenen Ortsgruppenvorsitzenden und einzelnen Mit¬
gliedern besaß der Bund der Saarvereine als Gesamtorganisation keine besondere
5 „Die französische Kultur besitzt eine große Anziehungskraft für die Rheinländer, besonders der Mittel¬
und Oberklassen, die diese durch stark antipreußische und antiberliner Neigungen unterstützen“: „Die
kulturpolitische Arbeit der Begestelle“ (Juni 1920), in: BA R 1603/2154.
6 Vgl. SF 12(1931)7, S. 98 ff.
7 VOGEL: Deutsch die Saar immerdar! (1929), S. 64.
8 Vgl. Jahres-Bericht 1932. S. 5.
9 Vgl. SF 8 (1927) 16, S. 263.
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