Propagandatätigkeiten. Nichtsdestotrotz konnte der Bund der Saarvereine nur dank
seiner Niederlassungen erfolgreich wirken, da über sie das Problem der staatsrecht¬
lichen Zukunft der Saar auch auf lokaler Ebene an ein breites Publikum herangetra¬
gen werden konnte. Ferner leisteten die Ortsgruppen schon früh entscheidende
Vorarbeiten zur Erfassung und Mobilisierung der abstimmungsberechtigten Saarlän¬
der. So sehr der Bund auch den konstruierten Charakter des Saargebietes hervorhob,
förderten die Saarvereine - ohne es im Grunde zu wollen - mit ihrer Tätigkeit die
Herausbildung eines saarländischen Regionalbewußtseins.
Der Anspruch, entscheidend dazu beigetragen zu haben, „daß das deutsche Volk der
Saarfrage nicht nur Aufmerksamkeit, sondern weitgehendes Verständnis“ entgegen¬
bringe3, zieht sich wie ein roter Faden durch die Selbstdarstellung des Vereins, muß
aber vor dem Hintergrund der Verteilungskämpfe um öffentliche und private Gelder
gesehen werden. Obwohl er alle Hebel in Bewegung setzte, über den Kreis der
unmittelbar Betroffenen hinaus Interesse für die Belange der Saar zu wecken, er¬
reichte der Bund damit vermutlich nur den Teil der reichsdeutschen und auslän¬
dischen Öffentlichkeit, der derartigen Problemen gegenüber ohnehin aufgeschlossen
war. Die breite Masse der Bevölkerung blieb weiterhin passiv, auch wenn die Parole
der „deutschen Saar" bei ihr auf Zustimmung stieß.
Die prinzipielle Notwendigkeit der Tätigkeit des Bundes schmälert dieses nüchterne
Fazit allerdings nicht: Als Sprachrohr für die Interessen der saarländischen Bevölke¬
rung füllte er die Lücke aus, welche durch das anfängliche Fehlen einer Volksver¬
tretung sowie die durch Erscheinungsverbote gehemmte saarländische Presse ent¬
standen war4. Übereine eigene Verbandszeitschrift und verschiedene Publikationen,
in unzähligen Kundgebungen und Vorträgen, mittels traditioneller Propagandamedien
und moderner Techniken klärte die Organisation im In- und Ausland - meist einseitig
gefärbt - über die Verhältnisse an der Saar, die Verfehlungen der nationalen und
politischen Gegner sowie die fürsorglichen Leistungen der deutschen Regierung auf.
Auf den alljährlichen Bundestagungen mit ihren anschließenden Saarkundgebungen
erreichte der Verein seine größte Breitenwirkung. Ebenso wie die unzähligen kleine¬
ren Vortrags- und Propagandaveranstaltungen, die reichsweit von den Ortsgruppen
ausgerichtet wurden, bedienten sich die immer imposanter aufgezogenen Saar¬
spektakel aus dem Fundus nationaler Festriten und gaben sich mit Umzügen, musika¬
lischer Untermalung und pathetischen Ansprachen vor einer Massenkulisse einen
betont feierlichen Anstrich.
Der Aufklärung auf der einen Seite stand auf der anderen Seite die Abwehr der
zentrifugalen Kräfte gegenüber, die in politischen und ökonomischen Krisensituatio¬
3 Vgl. undatiertes Protokoll der Sitzung des Aufsichts- und Beratungsausschusses vom 24.01.25, in: BA-
R 8014/7.
4 „Der Bund , Saar-Verein1 ist überall auf dem Plan, wo es gilt, der saarländischen Bevölkerung, die unter
brutaler Gewalt verstummt, eine Zunge zu leihen.“: SF 2 (1921) 1, S. 3.
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