Full text: ‚‚Deutsch die Saar, immerdar!‛‛

sich in verschiedenen Ausschüssen des Bundes und der Geschäftsstelle, deren 
Handlungsfreiheit allerdings weniger durch derartige Kontrollgremien als vielmehr 
durch finanzielle Engpässe eingeschränkt war. 
Der Vorteil, sich auf ein relativ kleines Gebiet konzentrieren und auf wenige zentrale 
Themen fokussieren zu können, führte phasenweise dazu, daß die Geschäftsstelle 
„Saar-Verein“ die gesamtpolitische Lage aus den Augen verlor und in ihrem Bemü¬ 
hen, das Saargebiet zum „Sorgenkind Alldeutschlands“1 zu machen, die offiziellen 
Saarstellen brüskierte. Da die Saarreferenten aber das propagandistische Potential des 
Vereins erkannt hatten, sahen sie auch über verbale Entgleisungen hinweg und 
sorgten in Krisenzeiten für die finanzielle Sicherung der privaten Abwehrstelle. 
Ähnlich wie ihre Schwesterorganisationen in den Ostgebieten konnte diese schlie߬ 
lich - anders als die Reichsregierung mit ihren nachgeordneten Dienststellen - in 
irredentistischen Grauzonen ihre Tätigkeit entfalten. Im Gegenzug erhielten die 
Behörden die Möglichkeit, kontraproduktive, unzeitgemäße und sinnlose Propa¬ 
gandamaßnahmen stoppen oder korrigieren zu können, ohne dabei die Grenzen 
zwischen privater Vereinsarbeit und offizieller Regierungspolitik zu verwischen. 
Dank überwiegend guter Kontakte zu den Berliner und Münchener Reichs- und 
Länderressorts entwickelte sich die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ im Laufe der Jahre 
zu einer rege frequentierten Anlauf- und Auskunftstation für die verschiedensten 
Saarbetreffe, ohne dabei zu einer institutionalisierten Verwaltungsstelle einer Behör¬ 
de zu werden. Ihr karitatives, wirtschafts-, kultur- und gesellschaftspolitisches 
Engagement an der Saar warb für die deutsche Option 1935 und war damit neben den 
schon früh eingeleiteten Maßnahmen zur Erfassung der potentiellen Abstimmungs¬ 
berechtigten eine weitere Facette ihrer Propaganda. Allzu gerne fühlten sich Vogel 
und sein Mitarbeiterstab als moralische „Wächter“ der nationalen Gesinnung, wo¬ 
durch Konflikte mit den zurückgebliebenen „Saarkämpfern“ vorprogrammiert waren. 
Der Berliner Zentrale unterstand ein weit verzweigtes Ortsgruppennetz im Deutschen 
Reich. Hatten sich bis Ende der Weimarer Republik etwa 100 lokale Niederlassungen 
dauerhaft etabliert, so forcierten die Nationalsozialisten den Ausbau angesichts der 
bevorstehenden Abstimmung derart, daß sich die Ortsgruppenzahl binnen zweier 
Jahre vervierfachte. Regelmäßige Mahnungen seitens der Geschäftsstelle „Saar- 
Verein“ deuten daraufhin, daß die Dependancen nicht immer die Erwartungen 
erfüllten: Typische Vereinsangelegenheiten prägten den Alltag der Ortsgruppen 
stärker als die eingeforderte ernste „Arbeit zur Befreiung des kerndeutschen Saar¬ 
gebiets“2, und Ressentiments gegen den Berliner Kurs förderten einerseits zwar die 
Herausbildung regionaler Zusammenschlüsse, doch behinderten die Konflikte 
zwischen den machtbewußten Landesverbänden und der Zentrale konstruktivere 
1 Pressemeldung für den „Rheinischen Beobachter“ (März 1922), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 1. 
2 SF 7 (1926) 7, S. 114. 
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