Vielfach wurden von den vor Ort ansässigen Gastronomiebetrieben überzogene
Preise verlangt und fliegende Händler versuchten aus dem Verkauf diverser Saarde¬
votionalien und nicht autorisierter Broschüren Gewinn zu schlagen51. Außerdem
zeigte sich die saarländische Geschäftswelt alles andere als angetan von den nahezu
jedes Wochenende außerhalb des Saargebietes aufgezogenen Veranstaltungen52.
Die Reglementierung und Einschränkung unkoordinierter Saarspektakel war nicht
nur notwendig geworden, weil die Reisefreudigkeit der Saarländer vielen Orts¬
gruppen über den Kopf gewachsen war, sondern weil die deutsche Rückgliederungs¬
propaganda in direkter Konkurrenz zu französischen Werbekampagnen stand, und die
Spannung auf alle Fälle bis zu der entscheidenden Saarkundgebung des Jahres 1934
gehalten werden mußte’’3: Die als Staatsakt der Reichsregierung konzipierte Heer¬
schau auf dem Ehrenbreitstein bei Koblenz, auf welcher Hitler wie schon im Vorjahr
das Wort ergreifen wollte. Den letzten beiden Bundestagungen vor der Saarabstim¬
mung kommt eine besondere Bedeutung zu - zum einen, weil sich das neue Regime
den Saarländern öffentlichkeitswirksam präsentieren konnten, zum anderen zeichnete
sich schon frühzeitig ab, daß sie im Hinblick auf den Ausgang des Plebiszits sowohl
von seiten Frankreichs wie Deutschlands als Gradmesser für die Stimmungslage an
der Saar gewertet würden. Angesichts dessen liefen bereits im Herbst 1932 die
Vorbereitungen für die bevorstehende Bundestagung auf Hochtouren.
2.3 Staatsakte der Reichsregierung
2.3.1 Die Niederwaldkundgebung (27. August 1933)
Dem Vorschlag des Auswärtigen Amtes folgend, wählte der Saarverein mit dem 1883
von Wilhelm I. eingeweihten Niederwaiddenkmal bei Rüdesheim einen symbol¬
trächtigen Ort für die Ausrichtung der Saarkundgebung: Über den in den Weinberg
geschnittenen Vorplatz ragt eine über zwölf Meter hohe bronzene Germania auf
einem quadratischen Aufbau empor. Das Monument rangierte mit dem Hermanns¬
denkmal und der Reiterstatue des Reichsgründers in Koblenz auf einer Stufe54. Der
ursprünglich von Vogel ins Auge gefaßte Termin, der 6. August in Erinnerung an die
Schlacht bei Spichern. wurde ebenso wie ein späterer Vorschlag des Vizekanzlers
51 Vgl. SF 15 (1934)9, S. 160; SF 15 (1934) 10, S. 183; SF 15 (1934) 15, S. 293.
52 Vgl. Telefonnotiz für Vogel (18.07.34), in: BA-R 8014/107. „In den Lokalen standen Kellner herum
und wehten Servietten über leere Tische, die Straßen waren zu leeren Schächten geworden, in denen
jedes Leben fehlte.“ BARTZ, S. 105. Vgl. ebenso den Brief der Bezirksamtsaußenstelle Waldmohr an
Binder(l 1.05.34), in: LA Speyer, H 38/1416. Das AA verfolgte diese Entwicklung mit Sorge: Vgl.
Bericht Fritz von Stumms (08.09.34). in: PA AA, 11 a Saargebiet, R 75.468.
53 Auch Goebbels befürwortete eine dosierte Indoktrination: „[...] Man darf nicht immer trommeln. Denn
wenn man immer trommelt, dann gewöhnt das Publikum sich allmählich an den Trommelton und
überhört ihn dann. Man muß die Trommel in Reserve haben. (...] Wenn wir immer schreien und
krakeelen wollten, dann würde sich die Öffentlichkeit allmählich an dieses Geschrei gewöhnen.“: Zitiert
nach HEIßER, S. 238.
54 Fahrten an das Denkmal hatten im Saargebiet eine lange Tradition und standen hoch im Kurs: Vgl.
HANNIG: Im Schatten von Spichern, S. 28.
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