die Pläne des Landeskuiturwarts der saarländischen NSDAP informiert. Im Laufe des
zurückliegenden Frühjahres war die Zuständigkeit für Vereinsreisen zunehmend von
der Geschäftsstelle „Saar-Verein“ auf die „Deutsche Front“ des Saargebiets überge¬
gangen, welche nun von Saarbrücken aus die Reisen organisierte und koordinierte44,
bis das Reichspropagandaministerium Mitte Juli den ausufernden Veranstaltungen
mit saarländischen Vereinen offiziell einen Riegel vorschob: Während allgemeine
Saarkundgebungen seit einigen Wochen der ausdrücklichen Genehmigung durch die
jeweiligen Landesstellen bedurften, wurde die „Deutsche Front“ zur alleinigen
Entscheidungsinstanz für weitere Saarreisegruppen deklariert45. Angesichts der
Vielzahl von Reisen saarländischer Gruppen ins Reichsgebiet, die ohne Wissen und
ohne Beteiligung der immerhin 400 lokalen Saarvereine stattfanden, läßt sich die
Behauptung, der Bund sei nach seiner eigenen Gleichschaltung eine der wichtigsten
„Schaltstellen“ für die bürgerlichen Vereine geworden4'1, kaum aufrechterhalten.
Die Besuche saarländischer Vereine nahmen 1934 ein solches Ausmaß an, daß sich
die Koblenzer Geschäftsstelle Anfang Juni - und damit vor dem zu erwartenden noch
größeren Reiseboom in den Sommermonaten - veranlaßt sah, grundsätzlich größere
Kundgebungen bei Empfängen von Vereinen aus dem Saargebiet zu untersagen.
Simon hoffte auf diese Weise dem Eindruck entgegenzuwirken, daß reine Ver¬
gnügungsreisen unter dem Deckmantel von Saar-Treuekundgebungen stattfanden47.
Der Vorstand der Berliner Ortsgruppe befürchtete sogar berufliche Konsequenzen für
die Mitglieder seiner Vereinigung, wenn diese weiterhin so viele saarländische
Vereine und Reisegesellschaften in der Reichshauptstadt zu betreuen hätten. Ange¬
sichts der mitunter hohen Erwartungshaltung der durchreisenden Gruppen plädierte
er für eine strengere Reglementierung bei der Bewilligung von Fahrpreisermäßigun¬
gen48 oder aber die Einstellung einer hauptamtlichen Kraft in der Ortsgruppe49 *.
Abgesehen von der Übersättigung der deutschen Bevölkerung"0 drohte die Kommer¬
zialisierung der unzähligen Saarkundgebungen, die Stimmung kippen zu lassen.
44 Vgl. Briefe der GSV an den Neunkircher Schiitzenverein „Adlerauge“ und ein Saarbrücker Männer-
Quartett (26.05.34), in: BA-R 8014/729.
45 Vgl. Brief des RMPropaganda an das BayMInn (16.07.34), in: BayHStA, MInn 47.097.
46 Vgl. aber: Bungert/ Lehnert, S. 92.
4 Vgl. Brief der Geschäftsstelle Koblenz an die Ortsgruppe Ludvvigsburg (01.06.34), in: BA-R 8014/477.
Sicherlich war diese Befürchtung nicht gänzlich unbegründet, wie die Klagen zahlreicher überforderter
Ortsgruppen zeigen. Zu Vereinsreisen nach 1933 vgl. Sonderausgabe „Saarkundgebungen im Reich“
der Vereinsnachrichten des Sportvereins „Saar“ 05 e.V. Saarbrücken (April 1934) sowie den all¬
gemeinen Schriftverkehr in: BA-R 8036/48, BA-R 8014/735 f. und 895. Teilweise kam das Vereins¬
leben im Saargebiet wegen der Reiselust zum Erliegen: Vgl. „Deutsche Front“ (02.05.34).
48 Die Reichsbahn gewährte bei Vereinsreisen eine 75%ige Ermäßigung: Vgl. „Deutsche Front“
(16.06.34).
49 Vgl. Brief Richard Hellwigs an die GSV (03.07.34), in: BA-R 8014/239. Im Herbst 1933 war die GSV
um Unterstützung bei der Unterbringung von 2-3.000 Saarländern in der Reichshauptstadt während der
Vorweihnachtszeit angegangen worden: Vgl. Schriftwechsel zwischen der GSV und dem Reisebüro
Müller (November - Dezember 1933), in: PA AA, II a Saargebiet, R 75.446.
so „Eine Zeit hatte es den Anschein, als werde etwas zuviel getrommelt.“: VOGEL: Geschäftsstelle „Saar-
Verein“, S. 243.
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