„heroischen Kampf1 um das Schicksal der Saar in dem Maße ab, wie nahezu jeder
Bereich des öffentlichen Lebens mit Saarpropaganda überfrachtet wurde. Die perma¬
nente Präsenz der Saarfrage in der reichsdeutschen Öffentlichkeit drohte auch
anderenorts36 im Laufe des Sommers 1934 kontraproduktiv zu werden, zumal viele
Veranstaltungen von propagandistischen Laien dilettantisch aufgezogen waren.
Folglich ordnete der Saarbevollmächtigte von Papen Anfang Juni 1934 an, fortan
Propagandaveranstaltungen außerhalb des Saargebiets auf ein notwendiges Maß zu
beschränken. Keineswegs dürfe jede Kundgebung zu einer Saarkundgebung stilisiert
werden, weil dies „der Wichtigkeit, Würde und nationalen Bedeutung“ der Saarfrage
nicht gerecht werde37. Eine Woche später bekräftigte das Reichspropagandamini¬
sterium den Erlaß und zog die Zuständigkeit für alle Saarkundgebungen im Reich an
sich3,3; obwohl Simon weiterhin vollmundig das Monopol für derartige Veranstaltun¬
gen reklamierte, war er als zentrale Entscheidungsinstanz ausgeschaltet.
Von seiten der Status-quo-Befürworter wurde die verordnete Beschränkung als
Signal gewertet, daß die reichsdeutschen Behörden den Saarländern nicht länger die
Möglichkeit geben wollten, sich selbst von den Verhältnissen im nationalsoziali¬
stischen Deutschland ein Bild zu machen, von wo sie wieder ernüchtert ins Saar¬
gebiet zurückkehrten'9. In den zurückliegenden Monaten hatte praktisch an jedem
Wochenende ein von den saarländischen Vereinen organisierter Massenexodus ins
vermeintlich freie Mutterland stattgefunden. Die meisten dieser Fahrten endeten zwar
in der Nähe der Saargrenze36 40, doch ebenso führten zahlreiche Reisen quer durch das
Reichsgebiet. Wie in allen Fällen, in denen die Volksgemeinschaft nach außen
demonstriert und zelebriert wurde, besaßen die Vereinsfahrten eine mehrfache
propagandistische Funktion, Zum einen waren selbstverständlich die Mitgliederder
reisenden saarländischen Vereine angesprochen, denen die Errungenschaften des
neuen, „erwachten“ Deutschlands vor Augen geführt werden sollten41. Über die
ausführlichen Berichte in den saarländischen Lokalblättern erfuhren die Zurück¬
sche Polizei (21.08.33), in: BayHStA, StK 6100.
36 Selbst im fernen Königsberg wurde die Bevölkerung durch Plakate zum Besuch der Koblenzer Saar¬
kundgebung aufgerufen: Vgl. Foto einer Litfaßsäule {August 1934), in: BA-R 8014/447.
” Vgl. Rundschreiben des Saarbevollmächtigten von Papen an die Reichsministerien, Länder und
Kommunen sowie NSDAP-Dienststellen (05.06.34), in: BayHStA, MInn 47.097.
38 Hierunter fielen allerdings nicht die normalen Mitgliederversammlungen oder Vortragsveranstaltungen:
Vgl. Rundschreiben Goebbels’ u.a. an die Reichsminister sowie an Simon (12.06.34), in: Ebd.; SF 15
(1934) 14, S. 273.
39 Vgl. „Volksstimme“ Nr. 142(22.06.34).
40 Angeblich waren im Einzugsgebiet der Landesgruppe Westmark allwöchentlich 40-50 saarländische
Gruppen zu Besuch; die dort ansässigen Ortsverbände waren von Kellner gehalten, mit lokalen
Vereinen Kontakt aufzunehmen, gemeinsam saarländische Vereine einzuladen und national zu¬
verlässige reichsdeutsche Vereine aufzufordern, ihrerseits das Saargebiet zu bereisen: Vgl. Rund¬
schreiben Kellners an die Ortsgruppen (14.02.34 und 12.05.34), in: LHA Koblenz, 661,11/7 und
Tätigkeitsbericht Kellners (30.04.37), in: LHA Koblenz, 661,11/24.
41 Vgl. HANNIO: Die deutsche Saar 1935, S. 31. Insbesondere auf die mittellosen und bedürftigen
Saarländer mußten die Reisen und Urlaubsfahrten eine große Anziehungskraft ausüben: Vgl. Balk, S.
41 f.
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