auch Sozialdemokraten in den letzten vor der „Machtergreifung“ publizierten Bro¬
schüren zu Wort kamen, wurden die Nationalsozialisten übergangen' 2. Im Herbst
1932 wies Vogel energisch die Vorschläge eines jungen saarländischen Nationalso¬
zialisten zurück, einen offiziellen Reichsausschuß in Berlin sowie ein geheimes
Saargremium in Saarbrücken unter dem Vorsitz Hermann Röchlings zu gründen61. Im
Interesse der Objektivität signalisierte Vogel lediglich, zur Kooperation auch mit der
NSDAP bereit zu sein, distanzierte sich aber in aller Form von den konspirativen
Plänen62 64.
* * *
Lange bevor die Nationalsozialisten die „Volksgemeinschaft“ vermeintlich in die Tat
umsetzten, wurde diese schon im „Saar-Freund“ beschworen65. Durch die harten
Erfahrungen völkischer Not, in welcher sich alle Deutschen zusammengefunden
hätten, sei die Gemeinschaft in den westlichen Grenzgebieten spätestens nach dem
Ruhrkampf Wirklichkeit geworden; für Konfessionshader, Parteiengezänk und
Klassenkampf sei kein Raum mehr. Nach Ansicht Vogels habe die überparteilich
ausgerichtete Organisation des Bundes einen entscheidenden Beitrag zur Realisie¬
rung der - im republikanischen Lager ebenfalls populären66 - Volksgemeinschaft
geleistet, da sie die Menschen einander näher gebracht habe:
„Man lerne den politisch, wirtschaftlich und weltanschaulich Andersdenkenden persönlich
kennen und durchweg auch achten, sehe nicht nur das Trennende, sondern auch das gemein¬
schaftlich Verbindende und erkenne die eigentliche Selbstverständlichkeit, aber das bei uns
Deutschen doch verhältnismäßig Seltene, daß auch der Andersdenkende ein sehr anständiger
Mensch sein könne und sei, und gewöhne sich allmählich daran, auch dem politischen Gegner die
Achtung entgegenzubringen, die man für sich und seine eigene Überzeugung erwarte. Diese
ehrliche Zusammenarbeit habe besonders im Bund der Saar-Vereine zu einer Abschwächung und
Überbrückung der Gegensätze geführt. Die nicht zuletzt in der Liebe zur gemeinsamen Heimat
wurzelnde Tätigkeit des Bundes und das Zusammenwirken von Menschen verschiedener Rich¬
tungen in der Saarfrage dränge sozusagen ganz von selber den Gedanken der Volksgemeinschaft
in den Vordergrund, lasse die Not- und Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen [...] deutlich
fühlbar werden und trage so zu einer Stärkung des gesunden und notwendigen Nationalbewußt¬
seins bei, ohne in Chauvinismus zu verfallen. Vor ihm bewahrt gerade die Arbeit in der
Saar-Vereinsbewegung, die ja in steter und enger Fühlungnahme mit den führenden Leuten im
Saargebiet erfolgt, die ihrerseits durch den vielfachen Verkehr, den die mit den führenden
62 Vgl. VOGEL: Das deutsche Saargebiet; Jahres-Bericht 1932, S. 37.
63 Es handelte sich hierbei um den späteren Saarreferenden im RMPropaganda, Carl Kuhlmann: Vgl.
JACOBY, S. 96; PAUL: Deutsche Mutter, S. 70. Kuhlmann sah für sich die Rolle des bei der Saarbrücker
Handelskammer beheimateten Koordinators zwischen beiden Gremien vor: „Es wird so eine Front
geschaffen, die im Kampfgebiet geheim und im Reichsgebiet vom Reichsausschuß öffentlich so alle
recht vielseitigen Vorarbeiten erledigt, daß etwa ab Ende 1933 ganz groß die Propagandaarbeit für die
Abstimmung, sich stetig steigernd bis zum Abstimmungstage selbst, eingesetzt werden kann.“: Vgl.
Brief Kuhlmanns an die GSV (13.10.32), in: PA AA, II a Saargebiet, R 76.094.
64 Vgl. Briefe der GSV an Kuhlmann sowie an das AA, das RM1, das PrMI und Röchling (26.10.32), in:
Ebd. Die Feststellung von HAUPERT/ SCHÄFER (S. 130, Anm. 89) - „Der Bund der Saarvereine stand
bereits sehr früh der NSDAP nahe und wurde seit etwa 1930 maßgeblich von Nationalsozialisten
beeinflußt.“ - läßt sich inhaltlich nicht halten.
65 Vgl. SF 1 (1920) 3, S. 9; SF 3 (1922) 2, S. 25; SF 5 (1924) 6, S. 82.
66 Vgl. SONTHEIMER, S. 250 ff.
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