Saar tatsächlich innerhalb der sozialdemokratischen Partei zu realisieren sei24 25. Braun
seinerseits griff den Fehdehandschuh auf, indem er den „Saar-Freund“ als „nationali¬
stisch und verrannt“ beschimpfte \ Die Art und Weise, wie die Geschäftsstelle nun
in den folgenden Monaten propagandistisch gegen Braun vorging, skizzierte die
Methoden des späteren Abstimmungskampfes vor. So wurde Braun durch dessen
vermeintliche Frankophilie stigmatisiert und in das Lager der Separatisten verbannt26.
Ähnlich wie später die „Deutsche Front“ reduzierte der „Saar-Freund“ die möglichen
Alternativen auf zwei Parteien, die entweder dem Deutschtum an der Saar nützten
oder ihm schaden wollten27. Obwohl Vogel die Sozialdemokraten bei ihrem wunden
Punkt zu packen versuchte - auch im sechsten Jahr der Republik war klar, daß kein
Parteimitglied den Verdacht nationaler Unzuverlässigkeit auf sich sitzen lassen
würde -, führte seine Strategie nicht zum gewünschten Ziel: Trotz aller Verleumdun¬
gen trennte sich die SPD nicht von ihrem Chefredakteur; ein innerparteiliches
Schiedsgerichtsverfahren über Brauns „nationale Zuverlässigkeit“ ging zu seinen
Gunsten aus28 *.
Die Wogen der Auseinandersetzung hatten sich gerade erst geglättet, als nun der
Bund der Saarvereine seinerseits durch die Kölner Bundestagung 1926 ins
Kreuzfeuer der Kritik geriet. Die nachfolgende Presseberichterstattung über inhaltli¬
che Debatten oder vereinsinterne Beratungen verblaßte angesichts der Welle der
Entrüstung, welche ein als feierlicher Höhepunkt vorgesehener zweistündiger Fest¬
zug21' auslöste: Weit über die Hälfte der mitmarschierenden Teilnehmer gehörten
rechtsgerichteten Verbänden wie dem „Werwolf4, dem „Stahlhelm“, dem „Jungdeut¬
schen Orden“ oder dem „Kyffhäuserbund“ an, die ebenso wie die Kölner Nationalso¬
zialisten ihre Fahnen zur Schau trugen. Auf Intervention des Saarvereins wurde zwar
die Reichsflagge - gemeinsam mit einer schwarz-weiß-roten Handelsflagge und vier
Landesfahnen - vorangestellt, doch dominierten innerhalb des Zuges die antire¬
publikanischen Farben und Banner. Hatte der Flaggenstreit30 schon die beiden
vorangegangenen Bundestagungen überschattet31, so sahen sich der Bund der Saar¬
24 Vgl. SF 6 (1925) 6, S. 92 f.; SF 6 (1925) 7, S. 108.
25 ..Volksstimme“ Nr. 78 (02.04.25).
26 Vgl. SF 6(1925)9,8. 140; SF 6 (1925) 12/13, S. 183 ff.; SF 6 (1925) 14, S 220; SF 6 (1925) 17. S.
286.
27 Vgl. SF 6(1925) 8,8. 124.
28 Vgl. Paul: Max Braun, S. 52-56.
27 Vgl. Programm zur Bundestagung 1926, in: SF 7 (1926) 15, S. 248.
30 Der zu Anfang der Republik getroffene Kompromiß, neben der schwarz-rot-goldenen Reichsflagge auch
die alte schwarz-weiß-rote Fahne als Flandelsflagge mit den republikanischen Farben als Gösch
bestehen zu lassen, weichte in den folgenden Jahren durch zwei Flaggenverordnungen immer mehr
zugunsten der monarchischen Farben auf. Die Republikaner mußten dem entgegenwirken, wollten sie
nicht hinnehmen, daß das „alte“ Deutschland weiterhin zur Schau getragen wurde: Vgl. WlNKLER:
Weimar. S. 311.
’ Vgl. „Frankfurter Zeitung“ Nr. 399 (29.05.24); „Leipziger Volkszeitung“ Nr. 122 (26.05.24); Brief der
GSV an Löffler (27.05.25), in: BA-R 8014/25; SF 6 (1925) 11, S. 167; SF6(1925) 23, S. 387.
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