5 „Unbeirrt und unbeeinflußt
von parteipolitischen Strömungen“'
So sehr die geistigen Strömungen der Zwanziger und Dreißiger in den unzähligen
Vorträgen und Aufsätzen durchschimmerten, die im Laufe der eineinhalb Jahrzehnte
über die Saarfrage gehalten und geschrieben wurden, so sehr die Gedanken der
diversen jungkonservativen, völkischen, national-revolutionären und hündischen
Kreise1 2 auch den „Saarfreunden“ vertraut waren, so wenig läßt sich bei ihnen auf der
Grundlage der überlieferten Quellen eine - über ein prinzipielles Wohlwollen hinaus¬
reichende - Affinität zu Protagonisten in der „Konservativen Revolution“ erkennen.
Vogel war viel zu sehr praktischer Propagandist, als daß er sich intensiver mit
derartigen theoretischen Erwägungen auseinandergesetzt hätte. Für ihn fand die
Kooperation mit anderen Organisationen, Zirkeln und Institutionen stets unter der
Prämisse statt, daß sie sich für die Saarvereinsarbeit als nützlich erwies. Überwogen
die in Kauf zu nehmenden Nachteile, so kündigte Vogel selbst Vereinigungen wie
dem „Deutschen Schutzbund“ die Zusammenarbeit auf.
Auf der schmalen Gratlinie zwischen Patriotismus, Nationalismus3, Revanchismus
und Konservativismus4 erhob Vogel stets für den Bund der Saarvereine das Postulat
der parteipolitischen, konfessionellen und gesellschaftlichen Objektivität des Bundes.
Allerdings sind Zweifel an der demonstrierten Unvoreingenommenheit angebracht.
Zum einen fand sie seitens der Ortsgruppen nicht die gebührende Beachtung, was
sich darin äußerte, daß Vertreter der Berliner Geschäftsstelle bei Besuchen in der
Provinz mehrfach auf die Einhaltung der Prinzipien pochen und sie in internen
Ortsgruppen versammlungen thematisieren mußten5. Zum anderen sah sich der Verein
von dritter Seite immer wieder mit den Vorwürfen fehlender Ausgewogenheit,
nationalistischer Hetze und kaum verhohlener Rechtslastigkeit konfrontiert, worauf
1 Zitiert aus dem Entwurf eines Rundschreibens der GS V an die Fraktionsvorsitzenden im Preußischen
Landtag und Reichstag (27.05.32), in: LA Saarbrücken, Saar-Verein 6: „Unbeirrt und unbeeinflußt von
parteipolitischen Strömungen haben wir die Unterstützung unserer vaterländischen Aufklärungsarbeit
von allen Parteien genommen, nicht um irgendeiner Partei, sondern um dem Saargebiet zu dienen,
erfüllt von der Überzeugung, daß in allen Parteien der Gedanke der Saarbefreiung lebt.“ Unterstrei¬
chung im Original.
: Zu dieser Kategorisierung vgl. Möhler, S. 130-165.
3 Zu den verschiedenen Spielarten des Nationalismus während der Weimarer Republik vgl. DANN: Nation
und Nationalismus, S. 268-272; MOMMSEN: Nationalismus in der Weimarer Republik. Trotz zweifellos
nicht nur latent vorhandener nationalistischer Neigungen der Saarvereinsmitglieder, die vereinzelt auch
den pervertierten extremen Varianten des „nationalen Patriotismus“ (HOBSBAWM, S. 59) anhingen,
lassen sich aus der Beschäftigung mit dem BdS keine neuen Impulse für die Nationalismusforschung
gewinnen. Zur aktuellen Diskussion vgl. Langewiesche: Nation, Nationalismus, Nationalstaat.
4 Vgl. hierzu: Breuer; Von dem Bussche; Schildt, S. 131-181.
s Vgl. beispielsweise die Veranstaltungen am 28.11.25 in Herne (SF 6 (1925) 24, S. 415), am 15.11.26
in Osnabrück (SF7 (1926) 23, S. 427 f.), in Gladbeck (SF9 (1928) 9, S. 145), am 03.02.28 in Darm¬
stadt (SF 9 (1928) 4, S. 61 f.) oder am 01.12.29 in Duisburg (SF 10 (1929) 24. S. 523 f.).
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