neue Mitglieder für die Saarvereinsbewegung zu rekrutieren. Gerade weil der
Verein sich nicht als politische Partei in Wahlen messen konnte, bedurfte er der
Außendarstellung über die Bundestagungen und öffentlichen Kundgebungen als
Stimmungsbarometer, Sie waren unerläßlich für die Weiterentwicklung des Ver¬
eins. denn nur die permanente Präsenz in der Öffentlichkeit versprach, sich gegen¬
über konkurrierenden Vereinigungen behaupten zu können.
Kurz gesagt: Die eigene Klientel sollte durch diese nationalen Bekenntnisakte bei der
Stange gehalten werden, während die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ bemüht war.
externe Kräfte entweder zu beeindrucken oder einzuschüchtern.
Die Saarvereine begründeten keine spezifische Feierform, vielmehr waren ihre
Bundestagungen eklektizistische Inszenierungen mit Vorbildern aus der kirchlichen
Liturgie und Anlehnungen an das traditionelle Fest- und Feierrepertoire bürgerlicher
Vereine1-’ . Der Rückgriff auf diese Formen der öffentlichen Artikulation war sinn¬
voll. weil sie den Besuchern vertraut waren und damit deren Erwartungshaltung
befriedigten. So wiederholte sich die religiöse Terminologie in der Überhöhung der
Saarvereinsarbeit als „heiliger Aufgabe“, und wurden Glaubensbekenntnisse wie auf
der Kundgebung am Leipziger Völkerschlachtdenkmal 1924 zu nationalen Treuebe¬
zeugungen stilisiert.
Die Vorträge auf Saarkundgebungen waren in aller Regel allgemein gehalten, weil sie
sich an ein breites und mit der Saarproblematik bestenfalls rudimentär vertrautes
Publikum richteten. Aus Sicht der Organisatoren war die Motivation zum Besuch der
Veranstaltungen sekundärer Natur; gleichgültig, ob die Zuhörer aus Interesse am
Schicksal des Saargebietes, aus Neugier oder zur Befriedigung des Bedürfnisses nach
Ablenkung den Weg zu den Kundgebungen gefunden hatten, relevant war zunächst,
daß sie in großer Zahl kamen und damit als Erfolgsbarometer der Veranstaltung
dienten. Gut besuchte Veranstaltungen wirkten von sich als Publikumsmagnet und
Selbstläufer; in der öffentlichen Wahrnehmung galt der Zulauf als Gradmesser für
die Bedeutung des erörterten Themas. Hierzu war es unerläßlich, die Veranstaltungen
als Gegenpol zum Alltag in Szene zu setzen, weshalb prominente Gäste und Redner
stets willkommene Staffage waren, werteten sie doch die Kundgebung auf und zogen
damit weitere Interessenten an157 158. Die Fähigkeit des Vereins, das Problem der „deut¬
schen Saar“ vor einer imposanten Kulisse zu präsentieren, blieb den teilnehmenden
157 Wie Gebhardt (Fest, Feier und Alltag, S. 122-130) feststellte, ähnelten sich derartige nationale
Feiern grenzüberschreitend in ganz Europa.
158 Daher paßten sich auch die Bundestagungen dem allgemeinen Trend der zwanziger Jahre mit immer
imposanteren Großveranstaltungen an: Vgl. LlNSMAYER: Politische Kultur, S. 418 und allgemein:
BlMMER. Gebhardts Feststellung (Fest, Feier und Alltag, S. 128), daß die Besucher staatlich
organisierter Massenveranstaltungen „eher durch die Monumentalität des Spektakels beeindruckt,
denn von der ,Richtigkeit1 seiner .Botschaft1 überzeugt werden“ sollten, trifft ebenso auf die Kund¬
gebungen des BdS zu: Eine so große Zahl von Besuchern konnte sich schließlich nicht irren.
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