ren, eine von den Franzosen national bedrängte Opfergruppe zu sein, identitäts¬
stiftend und -bekräftigend; es wertete die eigene Person auf und förderte das
Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Bundes.
3. Als Foren der Saarpropaganda boten die Kundgebungen eine willkommene Gele¬
genheit, die Saarfrage alljährlich in der Öffentlichkeit zu präsentieren und über die
aktuelle Entwicklung aufzuklären. Vorbereitende, begleitende und resümierende
Artikel in der regionalen, in- und ausländischen Presse hatten einen konkreten
Anlaß, an dem sie anknüpfen konnten. Indem die Geschäftsstelle dafür Sorge trug,
daß sich die Saarkundgebungen institutionalisierten, wurden die Probleme des
Saargebiets - sozusagen als Ersatz für einen Saarfeiertag - jedes Jahr aufs neue ins
Gedächtnis gerufen. Gleichzeitig boten die Feierlichkeiten den Saarländern eine
Plattform, um ihren Patriotismus zu demonstrieren155.
4. Wie prinzipiell die gesamte Saarvereinsarbeit dienten auch die Kundgebungen im
Reich dem Zweck, die Saarländer zum Ausharren zu ermutigen. Je näher das
Datum der Abstimmung rückte, desto wichtiger schienen derartige Solidarisie¬
rungsgesten zu werden. Als 1932 die Koblenzer Tagung an der unzureichenden
Finanzierung zu scheitern drohte und statt dessen lediglich eine Zentralveranstal¬
tung im Berliner Reichstag und mehrere kleinere Kundgebungen im Reich statt¬
finden sollten, sprang das Auswärtige Amt zur Deckung der Unkosten ein. Es
bedurfte zu diesem Zeitpunkt also gar nicht mehr der Hinweise im „Saar-Freund”,
daß die Absage der traditionellen Tagungen bei der saarländischen Bevölkerung
außer Bedauern auch Skepsis über das Interesse des Reiches an der Saar hervor¬
gerufen hätte156.
5. Als deutliche Warnung nach außen signalisierte die im gemeinschaftlichen Auf¬
treten demonstrierte Gruppenidentität dem imaginären Gegner - Frankreich, dem
Völkerbund, der Regierungskommission - sich angesichts dieser Geschlossenheit
und Stärke keiner Illusion über die nationale Zukunft des Saargebietes hinzugeben:
Jeder Versuch, das Schicksal der Saar außerhalb des deutschen Staatsverbandes
gestalten zu wollen, sähe sich mit einer gewaltigen Volksbewegung innerhalb des
Reiches konfrontiert.
6. Das Organisationstalent, eine Kundgebung für die Befreiung bzw. Rückgliederung
der Saar publikumswirksam inszenieren zu können, empfahl den Verein sowohl bei
den Behörden als auch bei möglichen Kooperationspartnern, wie es potentiellen
finanziellen Förderern suggerierte, ihre Gelder einer sinnvollen Aufgabe zuzufüh¬
ren. Ebenso waren beeindruckende Veranstaltungen am ehesten dazu geeignet,
155 Vgl. Van Dülmen/ Hannig/ Linsmayer: Der Weg der Saarländer ins Dritte Reich, S. 39.
156 Vgl. undatierte Aufzeichnung, in: BA-R 8014/89. Im Grunde hatte es aber bis zur Würzburger Tagung
1927 gedauert, bis die deutschen Behörden überhaupt die Bundestagungen als relevantes Forum zur
Artikulation saarländischer Interessen vvahrnahmen: Vgl. Brief des Vertreters der Reichsregierung in
München (Krebs) an die Reichskanzlei (18.08.27), in: BA-R 43-1/244.