Posselt betraut wissen, dessen Rückkehr an die Saar nach seiner Ausweisung im
August 1919 bevorstand6.
Auch wenn die Reaktion der Behörden auf Vogels Vorstöße als verhalten bezeichnet
werden muß7 9, zeigen seine zahlreichen Schreiben und Eingaben, daß er in der Grün¬
dungsphase der Geschäftsstelle auf dem pressepolitischen Sektor zwei miteinander
kombinierte Ziele verfolgte: Die Bewahrung des - den aktuellen Verhältnissen und
Bedürfnissen angepaßten - Status quo auf dem saarländischen Zeitungsmarkt und die
Errichtung eines Monopols der Geschäftsstelle für den wechselseitigen Austausch
von Informationen zwischen der Saar und dem unbesetztem Deutschland.
Mit dem Antritt der Regierungskommission erfolgte keine Besserung der angespann¬
ten Lage auf dem saarländischen Pressesektor; abgesehen von der gewachsenen
französischen Konkurrenz hatten die deutschen Zeitungen weiterhin mit finanziellen
Schwierigkeiten zu kämpfen. Allein im Jahr 1920 stiegen die Papierpreise um 550%,
die Kosten für Druckfarben um 700%, Bleimaterial wurde sogar um 1.800% teurer,
die Löhne und Gehälter verdreifachten sich*. Demgegenüber konnten die Blätter im
Umfeld des ,,Neuen Saar-Kuriers“ achtseitige Probenummern kostenlos verteilen,
was Vogel zu dem warnenden Hinweis veranlaßte, es bestünde die Gefahr, daß die
deutschgesinnte Presse schon dadurch ins Hintertreffen gerate, daß die lokale Zei¬
tungsfrage größtenteils durch die Menge des gelieferten Papiers beurteilt werdet Es
lag also auf der Hand, daß der Anfang 1920 ins Leben gerufene überparteiliche
Saarausschuß neben der Förderung kultureller Einrichtungen im Saargebiet auch der
saarländischen Presse unter die Arme greifen mußte10 - durchaus erfolgreich, wie
Vogel im Sommer des gleichen Jahres nach Berlin meldete:
„Die nationalpolitische Leitung der gesamten Saarzeitungen ist nun nach längeren Verhand¬
lungen endgültig in unseren Händen. Auf dem Boden der deutschen Nationalpolitik stehen nach
vertraglichen Vereinbarungen die vier Tageszeitungen des Saargebiets Seit der Vereinbarung
mit den hier aufgeführten Zeitungen wird eine für die Franzosen nicht mißzuverstehende Sprache
geführt. Das Herz geht einem beim Lesen vollständig auf.“11
Die Gefahr der Verdrängung deutscher Zeitungen war keineswegs ein spezifisch
saarländisches Phänomen, sondern zeigte sich in praktisch allen Gebieten, deren
Zugehörigkeit zum Deutschen Reich durch den Versailler Vertrag entweder beendet
6 Vgl, Brief der GSV an das AA (08.11.19), in: BA-R 8014/662. Posselt wandte sich Anfang Februar
1920 mit ähnlichen Vorschlägen an die Presseabteilung des AA (06.02.20), in: BA-R 8014/664.
7 Vgl. Brief Dr. Strahls (RfH) an die GSV (20.01.20), in: BA-R 8014/775.
* Vgl. BRUCH: Weg und Schicksal, S. 148.
9 Brief der GSV an das PrMFinanz (11.02.20), in: BA-R 1601/1696. Vgl. auch die Denkschrift über die
Aufgaben der GSV (01.04.20), in: BA-R 8014/2.
10 Vgl. das „Programm für die Verwendung der bewilligen 5lA Millionen“ (April 1920), zitiert nach
Anschütz, S. 53.
1 S.Z. Nr. 182 (11.07.20). Obwohl das Schreiben weder in den Unterlagen der Behörden noch des BdS
gefunden werden konnte und sich alle darin belasteten Institutionen ausdrücklich gegen den Vorwurf
zur Wehr setzten, durch die GSV korrumpiert worden zu sein, sind Zweifel an diesen Dementi an¬
gebracht. Die Ausführungen passen exakt in die bis dahin verfolgte Linie der Vogelschen Pressepolitik
und seines Vertrauensmännerapparates; zudem hätte nur ein intimer Kenner Vogels Stil imitieren
können: Vgl. Flugblatt (Juli 1920), in: MAE, Sarre 115; SF 1 (1920) 13, S. 110; SF 1 (1920) 21, S. 211.
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