gen Länder- und Reichsressorts. Bei Bedarf nahm der Staatsapparat die angetragene
Mithilfe dankend an; als einschlägiger und vor allem unverzichtbarer Experte in
Saarangelegenheiten wurde der Verein nicht wahrgenommen. Vor allem überrascht
es. wie schleppend die reichsdeutschen Behörden die Erfassung der Saarabstim¬
mungsberechtigten in die Wege leiteten, obwohl der Verein zeit seines Bestehens auf
eine stärkere Aktivität seitens der offiziellen Stellen drängte.
Als Anwalt der entrechteten Saarländer war die Geschäftsstelle „Saar-Verein“
bemüht, sich gegenüber den Behörden und potentiellen Förderern als einzig kompe¬
tente Saarheimatschutzorganisation in Szene zu setzen. Während sie unliebsame
Konkurrenz im Keim zu ersticken versuchte, entwickelte sich die Geschäftsstelle im
Laufe der Jahre zu einer wichtigen Anlauf- und Auskunftstation in Saarangelegenhei¬
ten. Ihre Hilfsmaßnahmen waren für die Saar weitaus mehr als nur symbolische
Gesten. Ihr frühes karitatives Engagement sollte dazu beitragen, daß nach dem Ende
der Ausweisungen aus dem Saargebiet kein ähnlicher Massenexodus wie aus Elsaß-
Lothringen ins Reich stattfand. Dabei beschritten die Mitstreiter in der Königgrätzer
Straße einen schmalen Grat, denn die Hilfsleistungen für geflüchtete und ausgewiese¬
ne Saarländer mußten deren unmittelbare Not lindern, durften aber keinesfalls
finanzielle Anreize für weitere Flüchtlinge bieten, da sich anderenfalls das Na¬
tionalitätenverhältnis beim vorgesehenen Plebiszit zu Lasten der prodeutsch gestimm¬
ten Kräfte verschoben hätte. Infolgedessen favorisierten Vogel und seine Mitarbeiter
eine prophylaktische Fürsorge, die den Saarländern den Verbleib an der Saar erträgli¬
cher gestalten sollte4'*.
In diesem Zusammenhang sind zahlreiche Hilfsmaßnahmen der Geschäftsstelle
„Saar-Verein“ während der 15jährigen Abtrennungszeit zu sehen: Erleichterungen
für die saarländische Wirtschaft und den Handel gingen ebenso auf Initiativen der
„Saarfreunde“ zurück, wie der Unterstützung saarländischer Vereine besondere
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Unzählige Begegnungen fanden bei den Orts¬
gruppen des Bundes statt, die für den propagandistischen Rahmen einer solchen
Vereinsfahrt ins Reich Sorge trugen und die Abordnungen wie Staatsgäste hofierten.
Ziel dieser Inszenierungen war es, einerseits den Saarländern das Gefühl zu ver¬
mitteln, an ihrem Schicksal interessiert zu sein und sie moralisch zu stützen, anderer¬
seits aber Frankreich und dem Völkerbund zu signalisieren, daß die Forderung nach
Rückkehr des Saargebietes als Basiskonsens in der reichsdeutschen Gesellschaft zu
betrachten sei. Daher wurde der Vergnügungsaspekt des Vereinstourismus in den
Zeitungsberichten weitgehend ausgeblendet, um den Wert der patriotischen Bekennt¬
nisse nicht in Frage zu stellen.
Nicht zuletzt wegen seines Engagements zugunsten der vielen Vereine an der Saar
war die Königgrätzer Straße trotz vereinzelter Anfeindung aus den Kreisen der
4% Auf der anderen Seite durften die Wohltaten nicht so weit gehen, daß sich die Saarländer mit ihrer
Situation arrangierten und womöglich an der Sonderrolle der Saar Gefallen fanden.
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