schuldig, weshalb Vogel jeden Wechsel in der Präsidentschaft der Regierungs¬
kommission nutzte, sein Anliegen erneut vorzubringen und eine offizielle Aufhebung
des Ausweisungsbefehls zu erwirken. Eine formale Annullierung erfolgte zwar nicht,
doch stand Vogel aufgrund einer Verordnung vom April 1925 das Recht der freien
Einreise bzw. der dauerhaften Niederlassung auf besonderen Antrag zu. Weder
Stephens, noch Wilton oder Knox waren gewillt, dem unliebsamen Vogel jene
pauschale Genehmigung zum permanenten Aufenthalt zu erteilen, die er regelmäßig
seit 1920 einforderte470. Seine Eingaben an die Innenabteilung der Regierungs¬
kommission beschäftigten im Herbst 1932 sogar den Stabschef der französischen
Armee, der seinen Außenminister vor den Folgen warnte, wenn Vogel wieder an der
Saar Fuß fassen könne471. Aus der im Prinzip nebensächlichen - da einfach zu
beantwortenden - Frage, ob ein ausgewiesener Saarländer einen Persilschein erhalten
könne, der ihn trotz politischem Engagement vor einer erneuten Verbannung schüt¬
zen sollte, war somit ein Politikum geworden, über welches der französische Außen¬
minister auf dem auf Laufenden gehalten zu werden wünschte472.
Abgesehen von Vogels persönlichem Anliegen und den regelmäßigen Interpellatio¬
nen der Geschäftsstelle „Saar-Verein“, das im Oktober 1923 verhängte Verbot des
„Saar-Freund“ aufheben zu lassen473, beschäftigte sich die Regierungskommission
während der 15 Jahre ihrer Verwaltungstätigkeit an der Saar nur selten mit der
Saarheimatschutzorganisation. Es wäre jedoch falsch, hieraus den Schluß ziehen zu
wollen, daß sich die Völkerbundsregierung völlig desinteressiert an der Arbeit des
Vereins gezeigt habe474. Sie überging die unzähligen verbalen und in verschiedenen
Druckschriften verbreiteten Provokationen bewußt, um den Verein durch eine
offizielle Reaktion nicht ungewollt aufzuwerten und ihm damit die Bedeutung
beizumessen, die er sich selbst gerne zuschrieb. Der Schriftwechsel zwischen Saar¬
brücken und Paris zeigt hingegen, daß zumindest das französische Mitglied den
Berliner Aktivitäten größere Aufmerksamkeit schenkte. In der Wahrnehmung Mori-
zes zählte der Bund der Saarvereine zu den irredentistischen Organisationen, die
bestens finanziell ausgestattet seien475. Aufgrund seiner Berichte beauftragte der Quai
47,1 Eine Sammlung des Schriftwechsels zwischen Vogel und Reko befindet sich im Brief der GS V an das
A A (05.01.33), in: PA AA, II a Saargebiet. R 76.095; SF 15 (1934) 12, S. 223-227.
471 Vgl. Brief des E.M.A. an Außenminister Herriot (26.10.32), in: MAE, Sarre 280. Vgl. ebenso: Secret
Renseignement (03.10.32). in: Archives des S.H.A.T., 7 N/ 2639.
47: Vgl. Brief Außenminister Herriots an Morize (31.10.32), in: MAE, Sarre 280; Mitteilung Knox’ an
die Reko (21.11.32), in: Arch, SDN, CdG 338/130; Procès-Verbaux vom 30.11.32 (638. Sitzung), in:
LA Saarbrücken. NL Koßmann 18; Brief Morizes an Außenminister Herriot (02.12.32), in: MAE,
Sarre 280.
477 Vgl. hierzu Kap. 4.2.
474 Daß sich Kontakte von Saarländern zu Ortsgruppen des Bundes negativ auswirken konnten, zeigt das
Beispiel einer Gruppenreise saarländischer Lehrerinnen durch Norddeutschland. Nach einem Emp¬
fang durch den Hamburger Saarverein, wurde die Leiterin durch die Reko überwacht. Die anderen
Teilnehmerinnen hatten ebenfalls mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Vgl. Brief des PrMI an das
RMbesGeb (07.09.25), in: BA-R 1601/1698.
475 Vgl. „Note sur la Question de la Sarre“ (Februar 1928). in: MAE, Sarre 14. Die Behauptung, daß der
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