zu lassen425. Ähnlich wie dies auch die prodeutsch gesinnten Zeitungen des Saar¬
gebietes taten, konservierte der „Saar-Freund“ die Angst vor einer Wiederholung der
leidvollen - oder zumindest als solche in der öffentlichen Erinnerung überlieferten -
Okkupationszeit. Somit war es für die deutsche Propaganda im Abstimmungskampf
ein leichtes, an diese Vorarbeiten anzuknüpfen und jede der nicht die Rückgliederung
an Deutschland verheißenden Optionen zu diskreditieren, da sie die Möglichkeit
eines späteren Anschlusses an Frankreich nicht definitiv vereitelten.
* * *
Infolge der Besetzung des schwerindustriell geprägten Ruhrgebiets durch belgische
und französische Truppen Anfang 1923426 erreichte die polemische Agitation gegen
die Invasoren aus dem Westen ihren Höhepunkt. Kontakte zu ihnen galten den
Kämpfern um die „deutsche Saar" als landesverräterischer Akt und wurden moralisch
verurteilt:
„Wer einen Franzosen im deutschen Land
Obdach gewährt und Unterstand.
Wer die verfluchte Hand ihm faßt,
Ihn nicht verachtet und tödlich haßt,
Ihn eines Blickes würdig hält,
Wie Gift nicht meidet sein gleißend Geld,
Ihn labt mit einem Bissen Brot,
Ihm Hilfe leiht, wann er in Not -
Wer einen Becher Wein ihm reicht,
Wer, wie von Aas, von ihm nicht weicht -
Der sei fortan im deutschen Land
Ein ehrvergeßner Lump genannt!“427
Durch seine erneuten Annexionsabsichten habe sich Frankreich vom Moralkodex der
zivilisierten Staaten Europas distanziert und sei aus der Reihe der Kulturvölker
ausgeschieden, zumal es allem Anschein nach nur noch in der Lage sei, farbige
„Kulturträger“ ins barbarische Deutschland zu entsenden42*. Überraschenderweise
hielten sich die Ortsgruppen des Bundes während der Ruhrbesetzung sehr zurück:
auch im unbesetzten Teil des Reiches blieb die Reaktion abgesehen von vereinzelten
Protestkundgebungen eher verhalten429 *.
Zwei Jahre nach dem „Verdun of the peace battle“ (Tardieu)4’0 wurde die Konferenz
von Locarno, die den völkerrechtlich abgesicherten Verzicht auf eine gewaltsame
425 Vgl. hierzu beispielsweise die Rubrik „Vor zehn Jahren“, in: SF 10(1929)7,S. 129 ff. ; SF 10(1929)
9, S 168-171; SF 10(1929) 10, S. 187f.;SF 11 (1930)6, S. 114 ff.; SF 11 (1930)9, S. 168 f.
426 Vgl. allgemein zum Ruhrkampf: BARIÉTY: Les relations, S. 101-120; HAGSPIEL, S. 135-201;
Jeannesson; McDougall, S. 214-304; Zimmermann.
427 SF 4 (1923) 5, S. 65. Derartige Gedichte wie dieses von Paul Warnke aus dem „Kladderadatsch“
erfreuten sich großer Beliebtheit: Vgl. SF 4 (1923) 1, S. 7; SF 7 ( 1926) 8, S. 128.
428 Vgl. SF3 (1922) 16, S. 237; SF4G923) 16, S. 226 f.; SF 5 (1924) 8, S. 111 f.
429 Auch in den Akten des französischen Außenministeriums, das die Meldungen über Kundgebungen
sammelte, ließen sich keine Hinweise auf Protestaktionen lokaler Saarvereine finden: Vgl. MAE, Ruhr
42 ff.
410 McDougall, S. 277.
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