ihrer überwiegenden Zahl aus Kreisen der Bergarbeiterschaft stammenden Saarländer
auf, sich auf direktem Wege ins rheinisch-westfälische Revier zu begebenis(1.
Eine besondere Situation trat mit den Ausweisungen ein, die der kommandierende
General Brissaud-Desmaillet im August 1920 infolge des Beamtenstreiks verfügt
hatte, da nun - anders als bei den Ausweisungsschüben von April und Oktober 1919
- überwiegend Personen des Landes verwiesen wurden, die zuvor führende Positio¬
nen in der Verwaltung und im Pressewesen bekleidet hatten. Es galt, dieser Gruppe
besondere Aufmerksamkeit zu widmen, denn einerseits wurde die deutsche Position
an der Saar durch ihre Verbannung geschwächt, andererseits standen die exponierten
Persönlichkeiten stärker im Interesse der Öffentlichkeit, was zur Folge hatte, daß an
ihrem Schicksal auch größerer Anteil genommen wurde1*1. Die Ausweisung einer
größeren Zahl von Beamten im Sommer 1920 überstieg die finanziellen Möglich¬
keiten der Geschäftsstelle „Saar-Verein“ bei weitem, da den Staatsdienern sowohl
ihre laufenden Bezüge als auch zusätzliche Tagegelder für die doppelte Haushalts¬
führung und gegebenenfalls einmalige Unterstützungen gezahlt werden mußten1*2.
Vogels diesbezügliche Interventionen bei den Behörden waren erfolgreich: Der
Unterstützungssatz für ausgewiesene Nichtbeamte stieg ab Herbst auf pauschal 50
Mark am Tag* 183 184, die in Höhe der allgemeinen Richtlinien von den Vertriebenenfür-
sorgestellen des Roten Kreuzes übernommen wurden. Gegenüber den Flüchtlingen
galt die Sprachregelung, daß die Geschäftsstelle „Saar-Verein“ den Fehlbetrag zu
dieser Summe übernahm1*4. Ab diesem Zeitpunkt waren die „Saarfreunde“ offizielle
iK" Vgl. Plakat für die Eisenbahndirektionen Westdeutschlands (02.10.19), in: BA-R 8014/975. Dennoch
suchten im Durchschnitt monatlich 40-80 Saarländer in Berlin die GSV auf: Vgl, Bericht der GSV
über die Verwendung von Geldern für die Flüchtlingsfürsorge (02.05.21), in: BA-R 8014/973.
181 Außerdem sah sich die GSV in der Verantwortung gegenüber den Ausgewiesenen, denen unter
anderem Tätigkeit für den Heimatdienst bzw. den Saarverein vorgeworfen wurde.
]s; Vgl. Brief des PrMI an die GSV (17.11.20), in: BA-R 8014/979. Gegenüberden etwa 20.000 Mark
bis Jahresmitte 1920 gelangte bis November 1920 etwa der fünffache Betrag zur Auszahlung: Vgl.
Brief der GSV an die Flüchtlingsfürsorge des Bundes der deutschen Grenzmarken-Schutzverbände
(09.12.20). in: BA-R 8014/973.
183 Hiermit reagierte Preußen auf den nicht länger haltbaren Zustand, daß preußische (nichtbeamtete)
Flüchtlinge bisher nur einen Tagessatz von 25 Mark erhalten hatten, wohingegen den saarpfälzischen
Vertriebenen der doppelte Betrag bewilligt wurde: Vgl. den Schriftwechsel in: BayHStA. Haupthilfs¬
stelle Pfalz 1 sowie BayHStA, MA 108.236. Die Sonderbehandlung der saarländischen Flüchtlinge
erregte bei anderen Vertriebenen berechtigten Neid, da sich elsaß-lothringische Flüchtlinge mit 9
Mark pro Tag begnügen mußten: Vgl. Brief der Fürsorgestelle Mannheim für vertriebene Elsaß-
Lothringer an die GSV (18.09.20), in: BA-R 8014/788.
184 Vgl. Aufzeichnung des RMI (21.10.20), in; PA AA, II a Saargebiet, R 75.624. Zur Verdeutlichung ein
Rechenbeispiel: Das Rote Kreuz zahlte monatlich 1.000 Mark zuzüglich 6 Mark Erwerbslosenfür¬
sorge und 3 Mark Zusatzunterstützung pro Tag, was einen Tagessatz von 42,30 Mark ergab. Den Rest
von 7,70 Mark trug der Saarverein: Vgl. Brief des Zentralkomitees der Deutschen Vereine vom Roten
Kreuz an die Landes- und Provinzialvereine und Zentralfürsorgestellen (Oktober 1920), in: BA-R
8014/981. Ein weiterer Erlaß des RMI (02.02.21, in: BA-R 8014/666) beendete im darauffolgenden
Frühjahr den Antagonismus Berlins und Münchens zumindest in der Frage der aus dem Saargebiet
Vertriebenen, da fortan alle preußischen und bayerischen Flüchtlinge von der Saar von den Fürsor¬
gestellen des Deutschen Roten Kreuzes betreut wurden. Der Saarverein gewährte gegebenenfalls
zusätzliche Beihilfen zu dieser Grundversorgung.
159