Erwägungen auch auf dem Gebiet der allgemeinen Propaganda die Zusammenfas¬
sung der zahlreichen offiziösen Vereinigungen und Institutionen, die sich in der
Übergangsphase von der Monarchie zur Republik gebildet hatten. An deren Stelle
trat im Laufe des Jahres 1919 die „Reichszentrale für Heimatdienst“ als nachgeordne-
te mittlere Reichsbehörde14. Durch die Übernahme ehemaliger Mitarbeiter der
militärischen Propagandastellen wie dem Kriegspresseamt oder der Aufklärungs¬
abteilung des Demobilisationsamtes konnte die Zentrale ihren Personalbestand ab
April 1919 erheblich verstärken und verfügte nun auch außerhalb der Zentrale Berlin
überein weitverzweigtes Netz von Nebenstellen und Vertrauensleuten1^. Während
der ersten Nachkriegsmonate galt ihre Aufmerksamkeit vor allem der Bekämpfung
spartakistischer und rätedemokratischer Bestrebungen sowie der Eindämmung der
zahlreichen Streikbewegungen. Ihre zeitweilige Nähe zum Rat der Volksbeauftragten
bzw. zu den Parteien der Weimarer Koalition setzte sie der Kritik von den Rändern
des politischen Spektrums aus.
Da die RfH in den linksrheinischen Gebieten anders als im nichtbesetzten Teil des
Reiches agieren mußte, wurde zum 1. August 1919 eine besondere ..B.G.-Stelle"16
unter der Leitung des Majors a.D. Alfred von Wrochem eingerichtet. Die räumliche
Trennung sollte ihre formale Unabhängigkeit von der Reichszentrale demonstrieren;
mit dieser Separation war zugleich beabsichtigt, das Wissen von der Existenz und
Arbeitsweise des Westreferates weiterhin auf die Leitungsebene der RfH und einige
kooperierende Regierungsstellen zu beschränken. Schließlich kam der RfH als
amtlichem Aufklärungs- und Propagandadienst offiziell lediglich die Aufgabe zu, die
Bevölkerung über aktuel le pol itische und wirtschaftliche Themen zu informieren und
sie „in unmittelbarem lebendigen Kontakt zur Demokratie und zur Republik zu
14 Die Reichszentrale war aus der ..Zentralstelle für Heimataufklärung“ hervorgegangen, die während des
Krieges den Durchhaltewilien an der „Heimatfront“ stärken sollte. Stand sie zu dieser Zeit weitgehend
im Schatten des militärischen Propagandaapparates der Obersten Heeresleitung und verhielt sich bis
zuletzt kaisertreu, so betrieb sie unmittelbar nach dem 9. November durch Aufklärungsschriften und
geschulte Redner entschieden Propaganda für die Republik: Vgl. Richter: Reichszentrale für Hei¬
matdienst, S. 29-34; Wippermann, S. 21-91.
5 Schon Anfang Oktober 1919 gliederte sich die Propagandabehörde in 24 Landesstellen, welche den
Kontakt zu den mehreren Tausend Verbindungsmännern im gesamten Reich hielten: Vgl. Listen der
Abteilungen (01.10.19 bzw. Februar 1920), in: BA-R 1603/2153 bzw. BA-R 43-1/2504. Die haupt¬
amtlich angestellten Leiter der parteipolitisch paritätisch besetzten Landesabteilungen hatten zuvor
meist eine einflußreiche Stellung im öffentlichen Leben bekleidet und waren gegenüber der Berliner
Zentrale weisungsgebunden. Wöchentliche Stimmungsberichte, monatliche Tatsachenberichte und nach
Aufforderung auch Einzel-Eilberichte erlaubten der Reichsregierung, sich ein umfassendes Bild der
Verhältnisse in der Provinz zu machen. Die in der Mehrheit ehrenamtlich tätigen Vertrauensleute der
RfH rekrutierten sich vor allem aus Kreisen der Lehrerschaft und Mitarbeitern der Volksbildung,
Gewerkschafts- und Parteifunktionären, Journalisten sowie Parlamentariern. Gegen Ende der zwanziger
Jahre konnte die RfH auf etwa 30-40.000 Mitarbeiter zurückgreifen: Vgl. Richter: Reichszentrale für
Heimatdienst, S. 99-107; Wippermann, S. 95-98.
16 Diese Abkürzung für „Besetztes Gebiet“ entwickelte sich schließlich zum Synonym der gesamten
Westabteilung; die Franzosen wußten zwar von dieser Sektion, vermuteten dahinter aber eine
„Bezirksgeschäfts-Stelle“: Vgl. Note der Reko (29.07.20), in: MAE, Allemagne 415.
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