finanzielle Unterstützung im Grunde nie abrissen. Gerade wenn es galt, neue finan¬
zielle Hilfsquellen zu erschließen, wurde die vermeintliche „Aschenbrödel-Rolle“238
des Saargebiets hervorgehoben: Die deutsche Bevölkerung sei nicht nur unzurei¬
chend informiert, sie ignoriere auch schlichtweg die nationale Notlage an der süd¬
westlichen Ecke des Reiches. Im Laufe der Jahre rückte Vogel zwar zunehmend von
diesem Vorwurf ab. zog aber die gleiche Konsequenz aus den geänderten Rahmenbe¬
dingungen: Während seine Kritik in den frühen Zwanzigern die reichsdeutsche
Bevölkerung motivieren sollte, sich stärker der Saarfrage zuzuwenden - was letzt¬
endlich am effektivsten über eine Organisation wie dem Bund der Saarvereine
erfolgen konnte heftete er dem Verein in späteren Jahren das Verdienst an die
Brust, die Saar zum „Gemeingut des deutschen Volkes“ gemacht zu haben, weswe¬
gen seine finanzielle Unterstützung auch weiterhin Gewähr für eine erfolgreiche
Abwehr- und Aufklärungsarbeit biete.
Die Anschubfinanzierung der Geschäftsstelle „Saar-Verein“ erfolgte durch die
preußische Staatsregierung in einem Umfang, daß die Zinsen aus dem 3-Millionen-
Propagandafonds die „Saar-Freunde“ in ihrer Frühphase in die Lage versetzt hätten,
auf weitere Zuschüsse von dritter Seite zu verzichten"39. Um sich allerdings als
volkstümliche Massenbewegung präsentieren zu können und nicht in den Verdacht
zu geraten, auf Rechnung offizieller Regierungskreise zu arbeiten, bemühte sich
Vogel, zusätzliche Finanzquellen bei Privatpersonen, Kommunen und Körperschaf¬
ten zu erschließen. Die typische Vorgehensweise in praktisch allen Rundschreiben,
die bis 1935 zur Sicherung der Finanzierung versandt wurden, war, zunächst die
drohenden Gefahren möglichst drastisch an die Wand zu malen, um dem Leser
anschließend den Schaden vor Augen zu führen, der der deutschen Wirtschaft und
dem deutschen Volk durch den Verlust der Saar mit seiner „kerndeutschen“ Bevölke¬
rung entstünde. Diese Strategie war natürlich immer dann gefährdet, wenn in der
reichsdeutschen Presse die Verhältnisse im Saargebiet nicht in den dunkelsten Farben
gezeichnet wurden. Lisbeth Dill, die bekannte saarländische Heimatdichterin, handel¬
te sich daher wegen positiver Äußerungen umgehend eine Zurechtweisung240 durch
Vogel ein. Während der Entspannungsperiode in der zweiten Hälfte der zwanziger
Jahre sah sich der Saarverein vor das Problem gestellt, eben jenes Bedrohungs¬
szenario aufrechtzuerhalten, zumal der Hinweis auf die noch immer vorhandenen
französischen Ambitionen spätestens nach der auch im Saargebiet mit großem
238 SF 4 (1923) 22, S. 277.
239 Vgl. Brief der GSV an die RVP (14.04.28), in: BA R 8014/784. Während der Inflation wurden die
drei Millionen Mark restlos aufgebraucht: Vgl. Protokoll der Sitzung des Aufsichts- und Beratungsaus¬
schusses vom 23.03.29 (28.03.29), in: BA-R 8014/7.
2M’ Vgl. SF 5 ( 1924) 1, S. 6; Brief der GSV an Dill (03.09.23), in: BA-R 8014/672. In der Tat erwies sich
der Artikel Dills im „Berliner Lokalanzeiger“ als kontraproduktiv, wurde er doch noch fünf Jahre
später in einer französischen Propagandaschrift als Beleg für das prosperierende Saargebiet zitiert:
Vgl. REVIRE: Perdrons-nous la Sarre?, S. 83.