Full text: Volk, Reich und Westgrenze

Bekenntnisgrenze“.139 Von Frankreich aus würde Deutschland kulturell und 
sprachlich verseucht, politisch-ideologisch bevormundet und wirtschaftlich beein¬ 
flusst.140 Bürckels Gaukulturwart Kölsch verstand unter „Westmarkgedanke“, bzw. 
„Westmarkerlebnis“ „die leidenschaftliche und kämpferische Ablehnung alles 
Fremden in Literatur, Wissenschaft und Kunst, das sich am Rhein als dem 
Vorfeld des französischen Liberalismus in den letzten 150 Jahren“ ausgebreitet 
habe.141 * Von der Pfalz und dem Saargebiet und seiner Nachbarlandschaft, dem 
Eisass, würde das Reich aufopfernd gegen den Feind aus dem Westen verteidigt. 
Wer schließlich an der Front sein geistiges Blut für das Vaterland vergieße, der 
genieße ein besonderes Recht zu bestimmen, was im Inneren Deutschlands 
geschehe: der Westmark-Grenzgau als die Seele und Spitze des Reiches.143 
Während Bürckel den Begriff auf seinen Gau einschränkte, wurde die Westmark 
größer und unbestimmbarer. Es ging zwar immer um die Grenze zu Frankreich 
und zum Romanentum, aber man bemühte mehr und mehr Beispiele aus weit 
zurückliegenden Jahrhunderten, um die Rechtmäßigkeit des deutschen Abwehr¬ 
kampfes zu behaupten. Die Schwammigkeit des Begriffs ließ viel Raum zur 
Ausdehnung gegen Frankreich.143 Leers genierte sich nicht zu behaupten, dass 
Lyon, Marseille, Arles und Toulon um 1300 „deutsche Städte“ gewesen seien,144 
womit diese per Definition zur Westmark zählten. Wie weit reichte also die 
Westmark im Nationalsozialismus? Loesch wusste die Antwort. Erdkundlich 
beginne Frankreich erst dort, wo die Mittelgebirge endeten: „Erst das Seinebecken 
ist echtes Frankreich“. Klimatisch und vegetationsgeographisch gehörten die 
Ardennen und die Argonnen zum mitteleuropäischen, sprich: deutschen Bereich. 
Dieser natürlichen Grenze habe die mittelalterliche Grenze des Reiches Rechnung 
getragen. Solche Feststellungen führten Loesch nach dem militärischen Sieg über 
Frankreich 1940 zur Forderung, dass die Westmark ihre defensive Haltung 
aufgeben solle und „das deutsch-französische Verhältnis von Grund auf auch den 
|,; Leers, „Raum als Schicksal“, 217; cf. [Johann] v[on] Leers, „Friede und Ehre“, Die West¬ 
mark, 1 (1933/34), 95-98, hier 97; Fenske, „Rheinkreis“, 226-27. Von Leers’ geschichtswissen¬ 
schaftlichen Fähigkeiten zeugt seine aufgeschlossene Rezension von Hermann Wirths Wieder¬ 
auflage der von der Fachwelt längst als Fälschung entlarvten Ura-Linda-Chronik: Johann von 
Leers, „Die Ura Linda Chronik“, Die Westmark, 1 (1933/34), 334-35; cf. Kater, Ahnenerbe, 15. 
140 Loesch, „Westmark: Wort“, 104. 
141 Kölsch, „Westmark als Kampffront“, 262. 
Kölsch, „Kulturelle Sendung“, 7-8; cf. Fenske, „Rheinkreis ...“, 216; Joachim Kermann, 
„Kriegsausbruch und Räumung der ,Roten Zone1 im Gau Saarpfalz (September 1939) - Zeit¬ 
genössische Stimmungsberichte aus dem Justizbereich“, Mitteilungen des Historischen Vereins 
der Pfalz, 97 (1999), 555-649, hier 565. 
41 Für diese Hinweise danke ich Oliver Kaul und Joachim Ziegler. 
144 Leers, „Die Westmark“, 23. 
42
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.