Kunstraub
Im November 1940 wurden die eben erst zurückgekehrten Bewohner von 18 Dör¬
fern in der Gegend von Bitsch (Bitche) wegen der Vergrößerung eines Truppen¬
übungsplatzes der Wehrmacht aus ihren Häusern getrieben. Wie reichsdeutsche
Siedler wurden sie auf die Orte vertriebener französischsprachiger Lothringer
verteilt.430 Im Auftrag der Kreisleitung kümmerte sich Hiegel um den Erhalt der
verbliebenen Kunstdenkmäler.431 Mit einer Genehmigung vom Generaltreuhänder
des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums (RKFDV) räumte
Bertram 1941 den „volkskundlich wertvollen“ Hausrat, den die Bitscherländer
nicht mitnehmen konnten, aus den leer stehenden Bauernhäusern aus. Im Oktober
befuhr Bertram vier Tage die Dörfer, durchstöberte über zweihundert Speicher
und schaffte vier Lkw-Ladungen Möbel und Hausrat nach Bitsch.432 Bertram,
Emrich, Halber und Braun wollten aus den gesammelten Haushaltsgegenständen
den Grundstock eines Bitscher Heimatmuseums bilden; ein kleinerer Teil war für
ein geplantes lothringisches Volkskundemuseum in Metz gedacht.433
Dem kommissarischen Leiter der Metzer Museen und Konservator an der Saarpfal-
zischen Landesgewerbeanstalt Dr. Edmund Hausen (1897-1963)434 war es ebenfalls
gelungen, „eine reiche und wertvolle Zahl lothringischen Kunst- und Kulturgutes“
aus Privatbesitz „sicherzustellen“. Mit diesen umfangreichen Beständen ging er
„den Neuaufbau der lothringischen Museen und Heimatmuseen“ an.435 Alle deut¬
schen Kultureinrichtungen in der annektierten Moselle bereicherten sich am Raub
von Privatbesitz deportierter oder geflohener Lothringer. Das Museum der Stadt
Metz stahl lothringische Kunstgegenstände. Es stellt hier nur insofern eine Aus¬
nahme dar, als es dabei mit dem KFDV und dem Ahnenerbe der SS zusammen¬
arbeitete. Hausen war gleichzeitig Leiter der im Juni 1941 errichteten Zweigstelle
Lothringen von Himmlers Generaltreuhänder für die Sicherstellung der Kultur¬
güter und unterstand dem Höheren SS- und Polizeiführer SS-Obergruppenführer
Theodor Berkelmann.436 Ihm assistierten der Kunstsachverständige Dr. Wilhelm
430 Le silence rompu: La Moselle racontée aux Français de l’intérieur, [témoignages recueill.
par] Jacques Gandebeuf (Metz: Serpenoise, 1996), 103-05 ; den Buchhinweis verdanke ich
Frau Dr. Annette Maas (Saarbrücken).
431 AMSgs, Hiegel/activité littéraire 1940-44: Hiegel an Keuth v. 10.1.1941; Entwurf Hiegel an
Kreisleiter [Kern] v. 1.12.1940: Verzeichnis der erhaltenen Kunstgegenstände in verschiedenen
Ortschaften des Bitscher Landes, welche nicht mehr besiedelt werden.
4 “ ADM, 1W237: Bertram an Gustl Roth (München) v. 4.11.1941; 1W234: Bertram, Sicher¬
stellung volkskundlich wertvollen Hausrates in Dörfern des Bitscher Uebungsplatz.es v. 13.-
16.10.1941 v. 20.10.1941; cf. 1W237: Bertram an König v. 11.11.1941.
4"ADM, 1W234: Bertram, Sicherstellung v. 13.-16.10.1941.
434 Nach dem Krieg wurde Hausen Konservator am Gewerbemuseum in Kaiserslautern; Das
große Pfalzbuch, 602; Carl, Lexikon, 236; cf. AMSgs, Hiegel/Moselle: Vie intellectuelle:
Kopie Personenregisterkarte Dr. Eduard [!] Hausen, * 28.2.1897 in Ludwigshafen.
435 AMMetz, 2Z9u/9.2.1943: Hausen an OB von Metz v. 9.2.1943 [2-3].
436 BABL, NS21/320a, f. 130: Hausen an Generaltreuhänder (Berlin) v. 23.2.1942; cf.
Wolfanger, „Nationalsozialistische Politik“, 86-88; id., „A. Dunckem“, 309.
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