positiv auf den Heimatbrief der Mittelstelle geantwortet hätten und „als zuver¬
lässig“ betrachtet wurden. Ohne den Umweg über Stuttgart schickte Schlenz die
erste Liste mit Polendeutschen direkt zu ihrer Verwendung nach Breslau.60" Mitte
September 1939 unterrichtete sich Grisebach persönlich bei Braun über die Aus¬
wertung der Kaiserslauterer Polenkarteien und der sonstigen Auslandsanschriften
und nahm aus der Mittelstelle Saarpfalz einen „weiteren Vorrat von Polenanschrif¬
ten“ mit nach Stuttgart.606 Dergestalt wuchs die „Zentralkartei des Deutschtums im
Ausland“ des DAL Sie umfasste Anfang 1940 120 000 Anschriften.607
Welchen staatlichen Stellen im Einzelnen das DAI mit diesen Kontakten behilf¬
lich war, ist nicht bekannt. Der Einsatz der Volksdeutschen als fünfte Kolonne zu
Sabotage-, Spionage- oder Zersetzungstätigkeiten im Rücken der Front war wohl
eher die Ausnahme. Vielmehr benötigten die deutschen Okkupationsverwaltungen
Namen von Ortsansässigen, die für die faschistische Ausbeutungspolitik benutzt
werden konnten. Schließlich diente die Kenntnis von auslandsdeutschen Sied¬
lungsgebieten den Planungsstäben von SS und deutschen Verwaltungen zur
Germanisierung der eingegliederten und besetzten Gebiete.608 Es liegt immerhin
im Bereich des Möglichen, dass hierbei auch von den mit „Jude“ gekennzeichneten
Auswandererkarteikarten Gebrauch gemacht wurde, um die europäischen Juden
und deren Nachkommen auszusondem und zu ermorden.
Völkische Naturwissenschaft
Mit Rembert Ramsauer kam 1937 ein Wissenschaftshistoriker ans Saarpfälzische
Institut, der Naturwissenschaftsgeschichte völkisch zu lesen verstand. Die Anre¬
gung hierzu hatte er in seinen Studentenjahren im Dienst „für die geistige
Revolutionierung der deutschen Hochschule“ erfahren.6,w Im Gegensatz zu der,
so Ramsauer, zergliederten und materialistischen westlichen Naturwissenschaft
sei die deutsche Naturwissenschaft durch ihr Naturerleben und ihre Innerlichkeit
geprägt. Die traditionelle Naturwissenschaftsgeschichte habe irrtümlich einen
606 Die Karteien gingen an Dr. Ernst Boehlich (Breslau, Schweidnitzer Stadtgraben 23); BAKo,
R57neu/550: Schlenz an Boehlich v. 8.9.1939. Es handelt sich wahrscheinlich um den schlesi¬
schen Historiker und Volkskundler Ernst Boehlich (*28.3.1886); Emst Boehlich, „Goethes
Propyläen“, Breslau, Univ., Diss., 1913, 47: Lebenslauf; Kürschners Deutscher Literatur-
Kalender auf das Jahr 1928, Hg. Gerhard Lüdtke, 24. Jg. (Berlin: de Gruyter, 1928), 106; cf.
Ernst Boehlich, Bibliographie der Schlesischen Vor- und Frühgeschichte, Schlesische Biblio¬
graphie, Bd. 3 (Breslau: Priebatsch’s, 1929); Emst Boehlich, Bibliographie der Schlesischen
Volkskunde, T. 1, Schlesische Bibliographie, 3,1 (Breslau: Priebatsch, 1929). Ich danke Herrn
Maximilian Eiden für die freundliche Auskunft zu Boehlich. Eine Verbindung Boehlichs zur
DAI-Forschungsstelle „Schlesier in aller Welt“ konnte nicht bewiesen werden.
606 BAKo, R57neu/550: Grisebach, Reise Kaiserslautern 17.-20.9.1939.
607 Ritter, Das Deutsche Ausland-Institut, 146.
608 BAKo, R57neu/550: Grisebach, Reise Kaiserslautem 17.-20.9.1939. Bekannt ist, dass das OKW
beim DAI ethnographische Karten in Auftrag gab; Ritter, Das Deutsche Ausland-Institut, 147 Anm.
6114 Rembert Ramsauer, „Die Atomistik des Daniel Sennert als Ansatz zu einer deutschartig¬
schauenden Naturforschung und Theorie der Materie im 17. Jahrhundert“, Kiel, Univ., Diss.,
1935, 123: Lebenslauf.
279