tureller Brückenschläge. Deutsche Kultur galt als überlegen, fremde Einflüsse als
Degeneration, interkultureller Kontakt als Gefahr. Untersucht wurde ausschlie߬
lich, was die Auswanderer an deutschem Kulturgut mitgenommen und ihre Nach¬
kommen bewahrt hätten. Dass sich die originären kulturellen Ausdrucksformen in
der Berührung mit anderen Ethnien veränderten und sich ihrer neuen Umwelt
anpassten - eine Voraussetzung für das Überleben einer fremden Kultur in neuer
Umgebung blieb der Auslandsdeutschtumsforschung verborgen.492
Der Ethnozentrismus des deutschen Kaiserreiches war sich der Existenz von
Deutsch sprechenden Gruppen außerhalb des geschlossenen germanophonen
Siedlungsgebietes kaum bewusst. Viele der künftigen Deutschtumsforscher hörten
zum ersten Mal an der Balkanfront des Ersten Weltkrieges deutsche Dialekte
fernab der Heimat.493 Die lebensweltlichen Erfahrungen von Professor Karl Haus¬
hofer, im Ersten Weltkrieg General an der rumänisch-russischen Front, fanden
Eingang in sein geopolitisches Modell von der „Grenze als Kampfplatz“,494 Die
Erkenntnis deutscher Volksgruppen auf dem Balkan haben Robert Ernst, 1916
Ordonnanzoffizier bei Haushofer, „für die Fragen und Probleme des Deutschtums
im Ausland besonders sensibilisiert“.495 Ebenfalls Haushofer als Ordonnanz zuge¬
teilt war Rudolf Heß, der zur nationalsozialistischen Koordinierung der auslands¬
deutschen Arbeit unter Haushofers Führung 1933 den Volksdeutschen Rat ver¬
sammeln ließ.496 Bei Hermann Aubin, Offizier in einem österreichisch-ungarischen
Regiment,497 oder bei dem Soldat an der Ostfront Emst Christmann müssen die
Balkandeutschen gleichermaßen Eindruck hinterlassen haben. Das persönliche
Erlebnis des tatsächlichen Kampfes übertrug sich auf die Wahrnehmung deutsch¬
sprachiger Gruppen im Ausland und bestimmte die Idee von einem ewigen Volks¬
tumskampf an den deutschen Außengrenzen. Die Tatsache, dass sich deutsche
49~ Bendick, „Deutschlands Grenzen?“ 33; Annemie Schenk, „Interethnische Forschung“,
Grundriß der Volkskunde: Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie,
Hg. Rolf Wfilhelm] Brednich, 2., überarb. u. erw. Aufl. (Berlin: Reimer, 1994), 335-52.
493 Cf. Fritz Braun, „Landsleute drinnen und draußen, Mittelstelle Saarpfalz, Kaiserslautern“,
Abhandlungen zur saarpfälzischen Landes- und Volksforschung, 1 (1937), 270-71; id., „Lands¬
leute drinnen und draußen: Mittelstelle Saarpfalz“, Unsere Heimat: Blätter für saarländisch¬
pfälzisches Volkstum (1936/37), 30-31; LASp, H 3/8009, f. 33: [id.] ,„Landsleute drinnen und
draußen1: Die Aufgaben der Mittelstelle Saarpfalz“, NAZ (10.11.1936); Karl von Möller,
„Liebe Landsleute drinnen und draußen!“ Unsere Heimat: Blätter für saarländisch-pfälzisches
Volkstum (1937/38), 76-77, hier 76; Hans Steinacher, „Die deutsche Erneuerung und das Aus¬
landdeutschtum“, Völkische Wissenschaft [2] (1934/35), 379-82, hier 379.
494 Karl Haushofer, Grenzen in ihrer geographischen und politischen Bedeutung (Berlin:
Vowinckel, 1927), 13.
497 Grünewald, Elsaß-Lothringer ..., 130; cf. R. Ernst, „Volkstumskampf4, 24; cf. Robert Ernst,
Rechenschaftsbericht eines Elsässers, 2. Aufl., Schriften gegen Diffamierung und Vorurteile,
Bd. 5: Gegen Diffamierung der Verteidiger deutschen Volkstums (Berlin: Bernard & Graefe,
1955), 191.
496 Hans-Adolf Jacobsen, ,„Kampf um Lebensraum4: Karl Haushofers ,Geopolitik4 und der
Nationalsozialismus“, Aus Politik und Zeitgeschichte, 34/35 (1979), 17-29.
Marianne Loenartz, „Lebensdaten [Hermann Aubins]“, „[Findbuch] Nachlass Hermann
Aubin (1885-1969) N1179“ (Koblenz: BA, 1988) [ i]; Ennen, „Aubin ...“, 12.
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