Archäologie und Germanenkult
Der bedeutendste pfälzische Siedlungshistoriker vor dem Zweiten Weltkrieg und
„der erste fachlich vorgebildete Archäologe der Pfalz“176 war der Leiter des Histori¬
schen Museums Sprater. Er machte sich um die Inventarisation der frühgeschicht¬
lichen Denkmäler der Pfalz verdient, die er in den archäologischen Karten des
Pfälzischen Geschichtsatlasses auswertete.1 Anhand der Anthropometrie neolithi-
scher Schädel deutete er die Rassenzusammensetzung seiner Heimat in der Jung¬
steinzeit. Seine Schädelvermessungen ergaben, dass schon in der Steinzeit die
verschiedenen Schädeltypen in gleicher Verbreitung vorgekommen seien wie bei
der zeitgenössischen Bevölkerung. Da Sprater die Schädelform des Menschen für
ein einwandfreies Merkmal der Rassenzugehörigkeit hielt, wandte er sich gegen die
verbreitete Auffassung, die prähistorischen Kulturstufen mit unterschiedenen
Rassen gleichzusetzen V8 Im Grunde widersprachen seine Befunde der national¬
sozialistischen Rassenlehre von der frühgeschichtlichen Einwanderung germani¬
scher Hochkulturen, weshalb sie Sprater nach 1933 nicht mehr offensiv verfocht.
Sprater begründete 1922 mit seinen „Beiträgen zur Kenntnis der vor- und früh¬
geschichtlichen Besiedlung der Rheinpfalz“ die Siedlungsgeschichte der Pfalz. Er
untersuchte die Verbreitung vorgeschichtlicher Funde in Raum und Zeit und die
materielle Kultur und deren Wandel und stellte vorsichtige Versuche an, den
Gang der Besiedlung und deren klimatische und geologische Bedingungen zu re¬
konstruieren.174 Während der NS-Zeit aktualisierte er seine vorgeschichtliche
Forschung. Auf einem Vortrag im Saarpfälzischen Institut im Frühjahr 1939 defi¬
nierte Sprater die „germanische Besiedlung des saarpfälzischen Raumes“ nach dem
Ende der Römerzeit als eine „Wiedereroberung des Landes“.180 Ebenfalls lehrte
er, dass die in der Völkerwanderung „eingedrungenen Germanen die ansässigen
Kelten“ nicht vollständig verdrängt, sondern „vielmehr eine HerrenschichG über
Das große Pfalzbuch, 703.
177 Friedrich] Sprater, „Die Besiedlung der Pfalz nach den Funden aus der jüngeren Steinzeit“,
Pfälzischer Geschichtsatlas, hg. i. A. d. Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissen¬
schaften u. d. Vereins zur Herausgabe eines historischen Atlasses von Bayern v. Wilhelm
Winkler (Neustadt, H.: PGFW, 1935) [1-2]; Friedrich] Sprater, „Die Besiedlung nach den
Funden aus den Metallzeiten“, ibid. [2]; id., „Die Besiedlung der Pfalz nach den Funden aus
der Römer- und Merowingerzeit“, ibid. [2].
178 Friedrich] Sprater, „Rasse und Kultur der jüngeren Steinzeit in der Rheinpfalz“, Sonderdr.
aus d. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz (1910), H. 31, 65-66.
17 > Horst Fehr, Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung der Kreise Kaiserslautern und
Rockenhausen, Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissen¬
schaften in Speyer, 61 (Speyer: PGFW, 1972), 14-15.
1X11 HMP, G/lnstitutssitzungen: „Ein interessanter Vortrag: Die Besiedlung unserer Heimat: Die
Germanen im saarpfälzischen Raum - Dr. Sprater spricht“, NSZ (27.4.1939); cf. H. Sch., „Die
germanische Besiedlung des saarpfälzischen Raumes: Direktor Dr. Sprater spricht im Saar¬
pfälzischen Institut für Landes- und Volksforschung“, Pfälzische Presse (27.4.1939).
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