allerdings wurden die archäologischen Forschungen unabhängig von den im Gau
Westmark errichteten Wissenschaftsinstituten durchgeführt.
Im Allgemeinen ist die Wissenschaftsgeschichte der Weimarer Republik und des
Nationalsozialismus gut dokumentiert. Diesbezüglich ist die Literatur kaum mehr
zu überblicken.24 Bis in die 1970-er Jahre nahm man die in den programmatischen
Äußerungen des Regimes proklamierte nationalsozialistische Wissenschaftsfeind¬
lichkeit für bare Münze. Gestützt durch die ab 1933 erzwungene Emigration
rassistisch und politisch verfemter Wissenschaftler wurde das Denkmuster vom
absoluten wissenschaftlichen Niedergang im deutschen Faschismus geprägt. Mit
der Einsicht, dass es der Nationalsozialismus durchaus verstanden habe, sich die
Wissenschaften dienstbar zu machen, setzte ein Paradigmenwechsel ein. Die
Arbeit des öffentlich geschmähten Geistesschaffenden war für die Vorbereitung
und Durchführung des Angriffskrieges und der territorialen Eroberungen unent¬
behrlich. Heute hingegen geht man vielfach davon aus, dass dem zynischen
Räsonnement des NS-Regimes viele Mittel recht waren, um seine Macht auszu¬
bauen. Wie weit der wissenschaftspolitische Pragmatismus ging, veranschaulicht
eine Äußerung Hitlers von 1940 gegenüber Alfred Rosenberg: „Unsere W[elt]-
A[nschauung] muß der exakten Forschung nicht vorschreiben, sondern aus ihrer
Arbeit die abstrakten Gesetze folgern.“ Sichtlich verwirrt suchte der Parteiideologe
sein Heil in der Exegese: „Die positivistische Note des Führers war mir etwas
neu. Da er aber den sicheren Glauben an Vorsehung hat, sind eben beide Welten
bei ihm zu Hause.“2' Diese Erklärung war für Rosenberg akzeptabler als die
Einsicht, soeben von seinem „Führer“ abgespeist worden zu sein. Im Zweiten
„Les fouilles archéoloqiques en Alsace occupée de 1940 à 1944“, Revue d'Alsace, 123 (1997), 19-
38. Für die freundliche Zusendung letzteren Artikels danke ich Joachim Ziegler (Colmar).
“4 Michael Ruck, Bibliographie zum Nationalsozialismus, vollständig überarb. u. wesentl. erw.
Ausg. (Darmstadt: WBG, 2000); Oliver Benjamin Hemmerle, Hochschulen 1933-1945 (Biblio¬
graphie), Schriftenreihe des AStA der Universität Mannheim, 4 (Mannheim: AStA, 1998);
Christian Jansen, „Die Hochschule zwischen angefeindeter Demokratie und nationalsozialis¬
tischer Politisierung: Neuere Publikationen zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte in
Deutschland zwischen 1918 und 1945“, Neue politische Literatur, 38 (1993), 179-220; id.,
„Mehr Masse als Klasse - mehr Dokumentation denn Analyse: Neuere Literatur zur Lage der
Studierenden in Deutschland und Österreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, Neue
politische Literatur, 43 (1998), 398-440; Christoph Comelißen, „Geschichtswissenschaft und
Politik im Gleichschritt? Zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft im 20. Jahr¬
hundert“, Neue politische Literatur, 42 (1997), 275-309; Thomas Pester, Geschichte der
Universitäten und Hochschulen im deutschsprachigen Raum von den Anfängen bis 1945:
Auswahlbibliographie der Literatur der Jahre 1945-1986, Bibliographische Mitteilungen der
Universitätsbibliothek Jena, 46 (Jena: UB, 1990), 25-46, 79-98, 124-98, 210-20; Peter
Hüttenberger, Bibliographie zum Nationalsozialismus, Arbeitsbücher zur modernen Geschichte, 8
(Göttingen: V&R, 1980), vor allem 100-03. Eine Inventur der NS-Wissenschaftsgeschichte
nahm Wissenschaften und Wissenschaftspolitik: Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen
und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Hg. Rüdiger vom Bruch, Brigitte
Kaderas (Stuttgart: Steiner, 2002) vor.
2:1 Alfred Rosenberg, Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 und
1939/40, nach d. photogr. Wiedergabe d. Handschr. aus d. Nürnberger Akten hg, u. erläut. v.
Hans-Günther Seraphim, Quellensammlung zur Kulturgeschichte, 8 (Göttingen: Musterschmidt,
1956), 100: Eintrag v. 7.2.1940.