Deutschen Front: Brüder in Not machte sich die wissenschaftliche Saarforschung
zum Büttel der nationalsozialistischen Terrorpolitik. Am Vorabend der Saarab¬
stimmung veröffentlichte die Deutsche Front: Brüder in Not in Millionenauflage
Faksimile von aus den Mines Domaniales gestohlenen Akten, die geheime
Spitzeltätigkeit französischer Saardienststellen und deutscher Rückgliederungs¬
gegner offen legen sollten. Zweck dieser Aktion war ebenso, politische Aus-
horchung und Gedankenkontrolle durch den französischen Gegner anzuprangern,
wie sich des Zugriffs auf die Unterlagen von Saargebietsbehörden zu brüsten.344
Dies stellte eine unverhohlene Verfolgungsdrohung gegen die Unterstützer des
Status quo dar, wie eine verdeckte Warnung an alle Wahlberechtigten, dass selbst
das Wahlgeheimnis nicht geschützt sei. Der Morgen nach dem 13. Januar hing
wie das Schwert des Damokles über den Häuptern der saarländischen Hitler¬
gegner345 und an seinem Pferdehaar zupfte unter anderem die Saarforschung.
Um zu erfahren, in welch brutalem Propagandablatt sie schrieben, brauchten die
Saarwissenschaftler nicht erst die genannte Sondernummer vom 13. Januar 1935
abzuwarten. Der terroristische Charakter der Deutschen Front: Brüder in Not
sprach aus allen ihren Ausgaben. Der nationalsozialistische „Rechtswahrer“ Hein¬
rich Winter aus Saarbrücken drohte im Dezember 1934 unverblümt den Anhän¬
gern des Status quo: „Separatismus und Separatisten sind vor Recht und Moral
gegenüber dem treuen Volksgenossen nicht als gleichwertig und als gleichberech¬
tigt anzuerkennen F Landesverrätern gebühre „nicht die gleiche Achtung und nicht
der gleiche Rechtsschutz“.346 Freilich für die nationale Sache drückten die Saar¬
forscher das rechte Auge zu. In dieselbe Nummer setzte Overbeck seinen Artikel
aus den Grundlagen des Saarkampfes, den er durch einige nationale Formeln
Front: Brüder in Not war in drei Sonderausgaben vom 25. November, 15. Dezember 1934 und
5. Januar 1935 geplant; eine vierte erschien zusätzlich am Vorabend der Abstimmung.
44 AAE, Sarre 283/2: „Freie Gewerkschaftssekretäre liefern deutsche Arbeiter ans Messer; Rest¬
lose Entlarvung des Verrats: renvoyé! expulsé! résilié! Das französische Spitzel-System“, Deut¬
sche Front (12.1.1935), Sondemr.: Dieser Beitrag wurde von der groß hervorgehobenen Parole
unterstrichen: „Marxismus und Weltjudentum sind die wahren Feinde des Arbeiters“. Ein anderer
Artikel der Totschlagpublizistik lautete: „Judas macht Kasse: Der Chef des Mr. Rossenbeck, Mr.
Vaisset [!], der Finanzminister der Status quo-Separatisten“; cf. François-Poncet an Laval v. 12.
u. 15.1.1935; G. Paul, Mallmann, Herrschaft und Alltag, 453.
'4r> Die Nationalsozialisten drohten bei jeder Gelegenheit mit dem „Tag der Abrechnung“; Ger¬
hard Paul, Deutsche Mutter, passim.; id., „Saarkampf (Status-quo-Bewegung)“, Lexikon des deut¬
schen Widerstandes, Hg. Wolfgang Benz, Walter H. Pehle (Frankfurt, M.: Fischer, 1994), 287.
146 AAE, Sarre 283/1: Heinrich Winter, „Deutsches Rechtsempfinden an der Saar: Eine
Stellungnahme zur Gerechtigkeitsfrage“, Deutsche Front: Brüder in Not (Mitte Dezember
1934), 2. Sondernr. zur Saarabstimmung, T. 4; cf. Sarre 283/2: Heinrich Winter, „Elsaß-
Lothringen und das Saargebiet: Zwei Stufen eines völkischen Bewußtseins“, Deutsche Front:
Brüder in Not (5.1.1935), 3. Sondernr. zur Saarabstimmung, T. 1; G. Paul, Deutsche Mutter,
125, 199-207, 214-32; Alexander von Wegner, „Die ,saarländische SphinxL Zur Interpretation
der Saarabstimmung 1935“, Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 20 ( 1994), 273-317,
hier 296-98.
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