hatte keine Konsequenzen zu befürchten. Hinter ihm stand das preußische Kultus¬
ministerium und neben ihm saß Bongard. Bongards Doppelspiel war Aubin nie
bewusst. Er selbst hatte ihn 1929 als seinen Vertreter gewünscht und ihm während
seines ägyptischen Exils die wissenschaftliche Korrespondenz der SFG anver¬
traut, um sie bei seiner Rückkehr in Santes Händen wiederzufinden.300 Sante
stellte mit Fug fest: „Das Schwergewicht der Organisation lag freilich, vor allem
[!] in den letzten Jahren, hier in Saarbrücken“.301
Das von Linsmayer beschriebene Interessenfunfeck der SFG aus preußischem
Kultusministerium, Notgemeinschaft, reichsdeutschen Universitätsprofessoren,
saarländischen Bildungsvereinen und den Saarbrücker Kommunalbeamten''12 hatte
nur in den ersten beiden Jahren der SFG Bestand. Es verlor Ecke um Ecke, bis
sich nur noch zwei Punkte gegenüber standen. Der Vereinsrand begann sofort zu
bröckeln und brach 1929 ganz ab. Schmidt-Ott hielt zumeist Aubins Linie, dessen
Entscheidungen von der Notgemeinschaft getragen wurden. Die Saarbrücker Kul¬
turbehörden, vertreten durch Bongard, wurden vom preußischen Kultusministe¬
rium beeinflusst. Der preußische Winkel war ungleich größer als von Linsmayer
angenommen und bot Sante enormen Spielraum für Eigeninitiative. So konnte er es
sich sogar leisten, saarländisches Lokalbewusstsein zu entwickeln. Sante sprach -
auch um den Breslauer Aubin auszugrenzen - 1931 von „uns Saarländern“. Seine
persönliche Bindung an die Saar wuchs; er heiratete 1932 eine Saarbrückerin.'"3
Santes Saaridentität nahm seinen Aktivitäten den preußischen Geruch. Schließlich
verließ Sante Preußen innerlich und arbeitete auch aus Karrieregründen auf eine
unabhängige Stellung des Saarlandes im Deutschen Reich hin.304
1933 kamen im Deutschen Reich die Nationalsozialisten an die Macht. Über das
Saargebiet hatte Hitler zwar keine unmittelbare Gewalt, doch ließen die politi¬
schen Umwälzungen im Reich die SFG nicht unberührt, zumal viele Mitglieder
der SFG nicht im Saargebiet ansässig waren. So sandte die SFG von ihrer Neun-
kirchener Tagung im Oktober 1933 Hindenburg und Hitler Demutsbezeugun¬
gen.^ Solche Loyalitätsbekundungen hatte die SFG nötig. Wenige Wochen zuvor
hatte Berlin Aubin die Geschäftsführung der SFG entzogen.306 Der Führer des
300 BABL, R8037/1: Aubin an Bongard v. 20.10.1933.
1,1 HessHStA, 1150/63: Sante an Emrich v. 14.3.1935, 3; cf. Sante an Neikes v. 28.1.1935.
302 Linsmayer, Politische Kultur, 351-52.
303 HessHStA, 1150/69: Sante an Aubin v. 9.7.1931, 2. Renkhoff, Nassauische Biographie,
337-38: Else Schneider.
'°4 HessHStA, 1150/68: Sante an Bongard v. 4.8.1930.
305 LASb, SM 12: Aubin [et al.], Mitgliederversammlung der SFG am 2.10.1933, 2-3. Als
Unterzeichner der Grußtelegramme traten Schmidt-Ott, Bongard, Aubin und die Gräfin
Sierstorpff auf.
306 LASb, SM 12: Aubin [et al.], Mitgliederversammlung der SFG am 2.10.1933 in Neun¬
kirchen, 2-4, 6: Um gegenüber den Berliner Ministerien Einigkeit zu demonstrieren, wurde
dieses Protokoll entgegen dem Usus von Aubin, Bongard, Schmidt-Ott und Griewank unter¬
zeichnet.
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