Der Prozess der kommunalen Funktionserweiterung und der Aufbau
von Versorgungseinrichtungen gestalteten sich jedoch als sehr langwie¬
rig. Fehlentscheidungen, Verzögerungen und Entwicklungsbrüche
kennzeichneten eher das Bild als zielgerichtete Entscheidungen. Oft¬
mals von technischen Neuerungen überrollt, taten sich die meisten
Städte mit der Bereitstellung Öffentlicher Energiedienstleistungen und
sonstiger Versorgungsleistungen sehr schwer. Sie zögerten die notwen¬
digen Entscheidungen teilweise über |ahre hinaus, warteten die techni¬
sche Entwicklung ab oder reagierten erst auf Druck der staatlichen Be¬
hörden oder auf die fortdauernden Initiativen privater Unternehmer.
Zu gering waren die Erfahrungswerte, über die die meisten Städte ver¬
fügten, zu dünn noch die Verwaltungsebene, die sich kontinuierlich mit
den kommunalen Einrichtungen befassen konnte, zu risikoreich gerade
in den Anfangs]ahren die Einrichtung und Unterhaltung von Versor¬
gungsbetrieben.
Der Gasversorgung kam in diesem Kontext eine Schlüsselrolle zu, denn
mit der Einführung der Gasbeleuchtung betraten die meisten Städte
und Gemeinden kommunalpolitisches Neuland. Lange bevor sie
Wasser- und Elektrizitätswerke, Straßenbahnen und Schlachthöfe ein¬
richteten, entschieden sie sich für eine zentrale Gasbeleuchtung. Besa¬
ßen 1859 schon mehr als 200 Gemeinden in Deutschland ein Gaswerk,
lag die Blütezeit der Elektrizitätswerke und Straßenbahnen erst im aus¬
gehenden 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Trotz dieses rasanten
Aufstiegs, den die Gasversorgung seit etwa 1850 vollzog, tat sich aber
die überwiegende Zahl der Kommunen mit der Errichtung und dem
Betrieb eines Gaswerks sehr schwer. Dies zeigt auch die Entwicklung in
der Saarregion.
Saarbrücken-St. Johann lag bereits 1838 ein erstmaliges Angebot der "All¬
gemeine Gesellschaft für Gasbeleuchtung" vor, auf das die Stadt jedoch
nicht näher einging. Da zum damaligen Zeitpunkt mit Flannover,
Frankfurt am Main, Berlin und Dresden lediglich ausgesprochene
Großstädte über eine Gasversorgung verfügten, hielten die Stadtoberen
eine solche Einrichtung für eine Stadt mit gerade 8.000 Einwohnern für
überflüssig.112 Auch die Initiative der örtlichen Casino-Gesellschaft, die
1848 im Garten des Casino-Geländes eine kleine Gasbereitungsanstalt
anlegte, übte zunächst auf die kommunalen Entscheidungsträger
keinerlei Wirkung aus. Obwohl die Gesellschaft seit Anfang der 50er-
112 StA Sbr. AS 558
94