B. Die Errichtung von lokalen Gasanstalten
1. Initiativen, Anstöße und Widerstände
Im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzogen die Städte einen grundlegen¬
den Wandel. Als Folge von Industrialisierung, Urbanisierung und
Städtewachstum sahen sich die Kommunen mit neuartigen Problemen
konfrontiert, sodass sich ihr Aufgabenfeld beträchtlich erweiterte.
Konzentrierte sich ihr Zuständigkeitsbereich bis Mitte des 19. Jahrhun¬
derts hauptsächlich auf Fragen der öffentlichen Sicherheit und Ord¬
nung wie Feuerschutz, Nachtwachen und Straßenbeleuchtung, spielten
nun zusätzliche Aspekte wie Städtebau, Infrastrukturpolitik und die all¬
gemeine Daseinsvorsorge eine gewichtige Rolle. Auch die wirtschaftli¬
che Betätigung der Kommunen erfuhr im Verlaufe dieser Entwicklung
eine starke Aufwertung. Städtische Gewerbebetriebe wie etwa Drucke¬
reien, Ziegeleien, Kalklager, Brauereien oder Mühlen kamen bis weit ins
19. jahrhundert über ihre marginale Bedeutung nicht hinaus. Denn da
das kommunale Aufgabenfeld eingeschränkt war, besaß auch die Er¬
zielung von Einnahmen keine besondere Priorität. Vielmehr bemühten
sich die Städte lediglich "um diejenigen Veranstaltungen, die aus sozialen oder
wirtschaftspolitischen Gründen städtischen Einfluß benötigten oder von privaten ver¬
nachlässigt wurden".n0 Dazu zählten beispielsweise Pfandleihen, Sparkas¬
sen, Bäder, Friedhöfe und die Straßenbeleuchtung.
Im Zuge der Funktionserweiterung der Städte um kulturelle, gesund¬
heitspolizeiliche, wirtschaftliche und soziale Aspekte gingen die Städte
nach und nach dazu über, kommunale Vermögenswerte zu bilden. Die
Erzielung kommunaler Einnahmen kristallisierte sich damit einherge¬
hend als gleichberechtigtes, wenn nicht vordringlichstes kommunalpo¬
litisches Ziel heraus.111 Nicht zuletzt mit der Intention, die Position
gegenüber konkurrierenden Städten zu verbessern, sich im staatlichen
Machtgefüge gegenüber den zentralstaatlichen Instanzen zu behaupten
und die kommunale Selbstverwaltung auszubauen, kam hierbei insbe¬
sondere den Versorgungs- und Verkehrsbetrieben eine strategische
Bedeutung zu. Deren systematische Bewirtschaftung schuf zusammen
mit den Gemeindesteuern die Grundlage für die meisten kommunal¬
politischen Tätigkeiten.
110 Vgl. Stern (1965), S. 13
111 Vgl. Krabbe (1989), S. 99; von Saldern (1994), S. 9 f.
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