D. Die Anfänge der Gaswirtschaft
Schon lange vor der Einführung der Gasbeleuchtung lassen verschie¬
dene Beschreibungen vermuten, dass die Entzündbarkeit von Gasen
bekannt war. So dürfte es sich bei den "heiligen Feuern" von Baku in
Persien um Erdgasquellen gehandelt haben, die brannten und leuchte¬
ten. Im 17. Jahrhundert machten Arbeiter in englischen Kohlenberg¬
werken die Beobachtung, dass aus Steinkohlenflözen Gase ausströmten,
die beim Entzünden ein helles Licht ausstrahlten. Daraufhin be¬
schäftigten sich erstmals Wissenschaftler (Shirley, Lowther, Clayton)
mit der Bildung von Gasen aus Steinkohlen. Der deutsche Chemiker
Johann Joachim Becher fing schon Anfang der 80er-Jahre des 17.
Jahrhunderts solche Gase in speziellen Behältern auf, transportierte und
entzündete diese übertage._<; Doch lagen zum damaligen Zeitpunkt die
genauen chemischen Prozesse, die zur Bildung des Steinkohlengases
führten, genauso wie die Anwendungsmöglichkeiten des Gases im
Dunkeln: man nannte das Licht deshalb abschätzig ''philosophisches
Licht".m
1786, mehr als hundert Jahre später, stellten Arbeiter in einer engli¬
schen Koksfabrik fest, dass sich die aus den Koksöfen entweichenden
Gase entzünden ließen und sich bestens als Lichtquelle eigneten. Doch
konnte bei solchen Zufällen von einer zielgerichteten Beleuchtung
noch nicht die Rede sein: "Hierin liegt %war eine Anwendung des Gases %um
Beleuchten, aber in dem Sinn nicht sowohl einer Stellvertretung von Iwimpen und
Kerzen, als vielmehr eine Art Illumination oder Leuerwerk 781 Auch die Tatsa¬
che, dass der Besitzer der Koksfabrik, Lord Dundonald, die Gase in
transportablen Gefäßen auffing, um sie in seinem Landhaus zu ver¬
brennen, erklärte sich eher aus Sensationslust denn aus einer zielge¬
richteten Initiative für eine dauerhafte Hausbeleuchtung.82
Ebenso ging in Deutschland die Entdeckung des Gaslichtes quasi als
Abfallprodukt aus allgemeinen chemischen Experimenten hervor. Der
Apotheker Pickel in Würzburg beispielsweise stellte seit 1786 Versuche
zur Gewinnung von Salmiak aus Knochen an. Dabei erkannte er, dass
sich die aus den Knochen erzeugten Gase auch zur Beleuchtung seines
Laboratoriums verwenden ließen.83 Ähnliche Erfahrungen machte der
79 Vgl. Böhm (1905), S. 8 f.
80 Vgl. Ilgen (1874), S. 29
81 Schilling (1879), S. 5
82 Vgl. Knapp (1856), S. 37; Rebske (1962), S. 30
83 Vgl. Blochmann (1871), S. 33; Schilling (1879), S. 12; Rebske (1962), S. 30
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