Frankreich sowie des Aufbaus international operierender Erdölunter¬
nehmen wurde Europa mit Petroleum überschwemmt."0 Gleichzeitig
erlaubten Verbesserungen der Lampenkonstruktionen, die Erfindung
des röhrenförmigen Dochtes und des Lampenzylinders durch Argand
eine höhere Lichtausbeute auch von Petroleumlampen. 1 Petroleum
setzte sich nicht zuletzt auch deshalb durch, weil die Unterhaltungs¬
kosten erheblich unter denen vergleichbarer Beleuchtungsmittel lagen:
es war etwa acht bis zehn Mal billiger als die Paraffinkerzen, 13 bis 15
Mal billiger als Stearin und 50 bis 60 Mal billiger als Wachskerzenbe¬
leuchtung.72 Aufgrund dieser Faktoren erfuhr das Petroleum eine ra¬
sche Verbreitung. Lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland 1866
bei 1,87 Kilo im jahr, 1885 bei fast neun Kilo, erreichte er 1899 mit
17,6 Kilo seinen Höhepunkt. Der Gesamtverbrauch lag zu diesem
Zeitpunkt in Deutschland bei fast einer Million Tonnen. Erst ab 1903
ging die Einfuhr von Petroleum infolge der Einführung des Auerlichtes
und der elektrischen Beleuchtung wieder zurück.73
Negativ machte sich beim Petroleum aber der unangenehme Geruch
bemerkbar. Auch verhinderte - wie folgender Fall verdeutlicht - die
ständige Explosionsgefahr dieses Beleuchtungsmittels seine uneinge¬
schränkte Akzeptanz:
"Am Dienstag nachmittag gegen drei Uhr ereignete sich in der Erangstraße ein be¬
dauernswerter Unfall. Ein etwa 9-jähriges Mädchen schüttete in Anwesenheit der
Eltern Petroleum in den Ofen, um das Feuer angufachen. Die Petroleumkanne
explodierte unter heftigem Knall, wobei die Fensterscheiben gersp rangen und auf die
Straße herabklirrten. Im Nu brannten die Kleider des Mädchens lichterloh. Angst¬
erfüllt stürgte das brennende Mädchen auf die Straße und rannte in das Nachbar¬
haus. Hier gelang es bald die Flammen an dem sich vergweiflungsvoll wehrenden
Mädchen gu ersticken, aber das bedauernswerte Mädchen hat so schwere Brand¬
wunden erlitten, daß es bis gur Unkenntlichkeit entstellt ist. Es mußte sofort in das
Krankenhaus verbracht werden, wo es gestern abend seinen Verletgungen erlegen
ist“.14
An ein neues Beleuchtungsmittel, wie es mit dem Leuchtgas im Laufe
des 19. Jahrhunderts zur Verfügung stand, waren somit folgende An¬
forderungen gestellt: Es durfte zumindest nicht wesentlich teurer sein
als andere Beleuchtungsmittel, seine Lichtausbeute musste höher sein
70 Vgl. Müller (1993), S. 20 f.
71 Vgl. Knapp (1859), S. 5 f; Ilgen (1874), S. 15; Böhm (1905), S. 6 f.
72 Vgl. Kuhn (1905), S. 33
73 Vgl. Kuhn (1905), S. 34 f.
74 Saarbrücker Ztg. vom 21.4.1909
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