Damit lag der Zuwachs zwischen 1950 und 1967 bei einem Index von
260, während der gesamte Primärenergieverbrauch im gleichen Zeit¬
raum einen Index von bloß 214 aufwies. Lediglich kurzfristig ging der
Gasabsatz infolge konjunktureller Einflüsse, vor allem von Absatzein¬
brüchen der Eisen- und Stahlindustrie sowie klimatischer Faktoren zu¬
rück. Als maßgeblich für die hohen Verbrauchszuwächse der Gaswirt¬
schaft erwiesen sich sowohl der Ausbau der Gasversorgung, wobei al¬
leine zwischen 1945 und 1954 ca. 180 Gemeinden in der Bundesrepu¬
blik eine Gasversorgung erhielten, als auch die Einführung der Bun¬
destarifordnung Gas vom Februar 1959, die mit einem Kleinverbrau¬
cher- und Grundpreistarif größere Flexibilität bei der Festlegung der
Gaspreise und Anreize zur Absatzsteigerung vor allem im Gewerbe-
und Industriebereich ermöglichte. Im Haushaltsbereich versetzten ver¬
schiedene technische Entwicklungen der Gerätetechnik die Versor¬
gungsunternehmen in die Lage, gegenüber den potentiellen Wettbe¬
werbern Elektrizität, Mineralöl und Kohle zu bestehen. Dazu gehörten
z.B. bei den Gasherden Zündsicherungen und Zündsperren, Regelun¬
gen und Thermostate, die ein ungewolltes Ausströmen von unver¬
branntem Gas verhinderten. Der Einbau von Gasmengenreglern in
Durchlauferhitzer brachte sowohl für die Verbraucher als auch für die
Gasunternehmen Vorteile, da sich damit Netzdruckschwankungen un¬
terbinden ließen. Große Absatzpotentiale lagen weiterhin bei den Gas¬
waschmaschinen (WaschSprudler), die in Deutschland nach dem
Zweiten Weltkrieg auf den Markt kamen, und im Wärmebereich auf so
genannten Außenwandöfen.344
Der Niedergang des Steinkohlenbergbaus schlug sich auch über eine
veränderte Brennstoffversorgung auf die Gaswirtschaft der Bundesre¬
publik nieder. Da die Wirtschaftlichkeit der Gaserzeugung in den 50er-
Jahren nach wie vor von der Erlös Situation des wichtigsten Nebenpro¬
duktes Koks abhing, gingen mit den Absatzproblemen der Steinkohle
auch sinkende Einnahmen für Kokskohle einher. Alleine die Ortsgas¬
werke hielten 1955 noch etwa zehn Prozent am westdeutschen Koks¬
markt. Während eine wirtschaftliche Gaserzeugung i.d.R. bei einer
Kohle-Koks-Preisrelation von 1:1,4 bestand, sank diese in den 50er-
Jahren infolge des Überangebots fester Brennstoffe auf 1:1,1.345 Um
dem Verfall der Kokserlöse entgegenzuwirken, handelte der Bundes¬
verband der Deutschen Gas- und Wasserwerke 1958 mit dem Ruhr¬
344 Vgl. Heidtkamp (1956), S. 565 ff.; Weber (1964), S. 12
343 Vgl. Wiese (1956), S. 533 £; Energiewirtschaft (1960), S. 138; unter Kohle-Koks-
Preisrelation versteht man das Verhältnis von Kohlepreisen zu Kokserlösen. Ein Ver¬
hältnis 1:1,4 bedeutet beispielsweise, dass einem Kohlenpreis von 100 DM pro Tonne
ein Erlös von 140 DM je Tonne Koks gegenübersteht.
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