Full text: 75 Jahre Saar Ferngas AG

A. Industrialisierung, Urbanisierung und Ausbau des kom¬ 
munalen Gemeinwesens 
Der Industrialisierungsprozess setzte in der Saargegend vergleichsweise 
spät ein. Schon im 18. Jahrhundert hatten sich zwar sämtliche Bran¬ 
chen, die sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts als die eigentlichen Pfeiler 
der Industrialisierung erwiesen, in der Region etabliert, doch halten die 
frühgewerblichen Produktionsstätten mit den riesigen Industrieanlagen 
des ausgehenden 19. Jahrhunderts keinem Vergleich stand. Nicht zu¬ 
letzt infolge der rudimentären Infrastruktur, der engen Koppelung der 
Produkdon an Wasser- und Rohstoffvorkommen (Eisenerze, Stein¬ 
kohle, Quarz, Sand) und der tradidonellen Produkdonsmethoden han¬ 
delte es sich bei den vertretenen Betrieben i.d.R. um kleingewerbliche 
Produktionsstätten. Lediglich einzelne Erzeugnisse - etwa Holz, Eisen¬ 
erzeugnisse, Papierwaren oder Baumwollerzeugnisse — dienten teilweise 
dem überregionalen Absatz. In den betreffenden Ortschaften waren 
daher schon vor 1850 große Teile der Bevölkerung in eine arbeitsteilige 
Massenproduktion eingebunden.1 Insofern scheint es berechdgt, diese 
Entwicklung als "Industrialisierung vor der Industrialisierung zu bezeichnen. 
Neben der Rohstoffgebundenheit der Produktion wies auch die Be¬ 
triebsorganisation stark am tradidonellen Handwerk orientierte Struk¬ 
turen auf, die Produkdon erfolgte meistens in Heimarbeit. Auch dürfte 
der Arbeitsprozess noch wenig maschinengebunden gewesen sein. Die 
Belegschaftszahlen der Eisenhütten, Glashütten oder sonstiger Betriebe 
überschritten kaum das Niveau von Mittel- oder Kleinbetrieben.2 
In der Saargegend trugen im Wesentlichen Eisenhütten, Glashütten und 
der Steinkohlebergbau diese Protoindustrialisierung. Die Eisenhütten 
lagen in den nördlichen und mittleren Regionen der Saargegend und 
benötigten insbesondere Holzkohle, Erz und Wasserkraft. Gerade die 
mangelnden Holzressourcen sowie vereinzelte Versorgungsmängel mit 
Eisenerz verboten aber eine Konzentration auf nur wenige Standorte. 
Teilweise gelangte die Holzkohle mittels Pferdefuhrwerken zu den 
weiter entfernt gelegenen Hüttenwerken. Ähnliches galt für die Glas¬ 
hütten. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckte sich seit Anfang des 18. Jahr¬ 
hunderts über die waldreichen Gegenden des südwestlichen, nördlichen 
und mittleren Saarlandes. Auch der immense Holzbedarf der Glaser¬ 
Dazu gehörten einzelne Baumwollspinnereien in Saarbrücken, Blieskastel und St. 
Wendel, Papierfabriken in Lautzkirchen, Wörschweiler und Schwalbach sowie die 
Dosenfabrikation in Ensheim und Umgebung; vgl. Karbach (1994), S. 34 
2 Vgl. Stromer (1986), S. 41; Kriedtke (1977), S. 26 
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