Full text: 75 Jahre Saar Ferngas AG

Gemeindetag sprach sich gegen eine weitere Zentralisierung in der Gas¬ 
versorgung aus. Energieerzeugung und Energieverteilung müssten eine 
öffentliche Aufgabe bleiben, wobei besonders die Gemeinden aus na¬ 
türlichen Gründen zur Erfüllung der örtlichen Versorgungsaufgaben in 
der Lage seien.231 233 Neben der Bedeutung der Gemeindewerke als unver¬ 
zichtbare Einnahmequelle der Kommunen, gewährleisteten gerade die 
kommunalen Energieversorgungsunternehmen die enge Verknüpfung 
zwischen Energiepolitik und sonstigen staatlichen Aufgabenfeldern wie 
dem Siedlungs- und Wohnungswesen, der Städteplanung, der In- 
dustrieansiedlung und der Verkehrspolitik. 
Auf der anderen Seite forderte die Ferngaswirtschaft, die Gaserzeugung 
aus Gründen der volkswirtschaftlichen Rationalisierung weiter zusam¬ 
menzufassen. Nicht zuletzt aus militärpolitischen Erwägungen sei es er¬ 
forderlich, die bis dahin isolierten Versorgungsgebiete der Ferngaswirt¬ 
schaft über Ring- und Kupplungsleitungen zusammenzuschließen, um 
auf diese Weise möglichen Produktionsausfällen durch Aushilfsliefe¬ 
rungen begegnen zu können. Zudem gewährleiste nur die Ferngasver¬ 
sorgung die Erschließung neuer Absatzgebiete und damit die "Auflocke¬ 
rung der Industrie". Auf diese Weise könne die Gaswirtschaft einen Bei¬ 
trag zur Siedlungspolitik leisten und Nachteilen, wie sie in Industriere¬ 
vieren anzutreffen seien, entgegenwirken. "Die Ferngasversorgung ermög¬ 
licht, daß nach und nach Betriebe (...) sich irgendwo an den Hauptgasleitungen an¬ 
siedeln, wo der Gefolgschaft durch ländliche Siedlung eine krisenfeste, bodenverbun¬ 
dene Hebensführung möglich ist“.2?>2 
Geschickt erkannten die Ferngasunternehmen auch die arbeitsmarkt¬ 
politischen Effekte, die die weitere Ausdehnung des Leitungsnetzes mit 
sich brachte. Mit Hilfe dieser Argumentation gelang es ihnen, die 
volkswirtschaftlichen Pläne zur Arbeitsbeschaffung - neben dem Auto¬ 
bahnbau galt der Ausbau der Ferngasversorgung als bevorzugtes Ob¬ 
jekt der Arbeitsbeschaffung - mit den eigenen betriebswirtschaftlichen 
Interessen zu verbinden. Gerade solche Projekte seien förderungswür¬ 
dig, "die die Ergiebigkeit des deutschen Bodens oder die bessere Ausnutzung unserer 
Bodenschätze gewährleisten''.233 Federführend forderte die RAG u.a. eine 
Ferngasleitung zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin, da mit dem beab¬ 
sichtigten Investitionsvolumen von etwa 80 Mio. RM 16.000 Arbeiter 
231 Der Gemeindetag 1935, Nr. 18: Stand der energiewirtschaftlichen Arbeiten, S. 
561; auch GWF, 78. Jg. (1935), Nr. 40, S. 761 f. 
232 Hamp (1934), Blatt 2; auch Burgbacher (1934), S. 366; Eggers (1937), S. 355 
233 Vossische Ztg. vom 28.9.1933: Arbeitsbeschaffung durch Ferngas; auch Kölni¬ 
sche Ztg. vom 28.9.1929: Ferngas in Front; Rheinisch-Westfalische Ztg. vom 
28.9.1933: Gasfernversorgung und Arbeitsbeschaffung; Köhn (1933); Platow (1934), 
S. 1677 ff.; Hamp (1934) 
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