D. Die Gaswirtschaft in der Phase des Nationalsozialismus
1. Die Energiepolitik als Instrument der Rlistungs- und Kriegs¬
wirtschaft
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gewann auch die
Energiepolitik einen neuen Stellenwert. Zwar verfügte weder die
NSDAP über ein eigenes energiewirtschaftliches Programm, noch kon¬
kretisierten führende Vertreter des Nationalsozialismus in den ersten
Jahren nach der Machtübernahme ihre energiepolitischen Zielvorstel¬
lungen. Gleichwohl spielte die Energiewirtschaft im Rahmen der Auf¬
rüstungspolitik des Dritten Reiches eine grundlegende Rolle, denn ohne
die ausreichende Verfügung über Primärenergien (v.a. Braunkohle und
Steinkohle) und Sekundärenergien (Strom, Gas) blieben die steigenden
Produktionsanforderungen an die Rüstungs- und Investitionsgüterin¬
dustrie unerfüllbar.
Dennoch verlief die Energiepolitik in der nationalsozialistischen Ara
keineswegs uniform. Zwischen 1933 und 1945 lassen sich drei Phasen
unterscheiden, die verschiedene konzeptionelle Vorstellungen, institu¬
tionelle Änderungen und zunehmende Eingriffe staatlicher Behörden in
die Energiewirtschaft kennzeichneten.
Die erste Phase der nationalsozialistischen Energiepolitik reichte von
der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 bis zur
Verabschiedung des Energiewirtschaftsgesetzes im Dezember 1935. Es
blieb zunächst offen, welche Versorgungskonzeption - zentral oder de¬
zentral - zum Tragen kommen sollte. Direkte staatliche Eingriffe in die
Energiewirtschaft blieben - zumindest auf der zentralstaatlichen Ebene
- zunächst die Ausnahme.
Die Unterordnung der Energiepolitik unter die vordringlichen staatli¬
chen Ziele wie "Arbeitsbeschaffung" und "Wehrhaftmachung" über¬
schnitt sich teilweise mit Vorstellungen aus den Reihen der Gaswirt¬
schaft; selbst gegenüber planwirtschaftlichen Elementen der Wirt¬
schaftspolitik zeigten sich führende Vertreter der Branche nicht abge¬
neigt. ”Eine sinnvolle, planmäßige Energiewirtschaft (■■)", forderte z.B. der
Vorsitzende des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern,
Richard Nübling aus Stuttgart, "mit aller nur möglichen individuellen
Beweglichkeit und Freiheit innerhalb des Flaues, das tut uns not“227 Insbeson¬
Nübling (1931), S. 697; der Deutsche Verein von Gas- und Wasserfachmännern
und die Vereinigung der Elektrizitätswerke hatten sich zwar 1931 im "Frieden von
Flalle" darüber verständigt, dass sie sich selbst in ihrer Propaganda gegenseitiger An¬
griffe enthalten, und auch auf die ihnen nahe stehenden Organisationen entsprechen-
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