C. Die Gasversorgung in der Pfalz bis zur Machtübernahme
der Nationalsozialisten
1. Die Entwicklung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs
Ähnlich wie in der Saarregion lag auch in der Pfalz die Blütezeit der
kommunalen Gaswirtschaft in der Phase vor dem Ersten Weltkrieg. Bis
zu diesem Zeitpunkt verfügten - abgesehen von Homburg, St. Ingbert
und Mittelbexbach - nicht weniger als 21 Ortschaften über eine Gas¬
versorgung. Erfolgte in der Saarregion gerade in den Anfangsjahren die
Gründung der Betriebe auf Initiative auswärtiger Fachleute oder
Handwerker, gingen in der bayerischen Pfalz entsprechende Aktivitäten
in den meisten Fällen von örtlichen Honoratioren und Gewerbetrei¬
benden aus. Folglich besaßen in der Pfalz private oder gemischtwirt¬
schaftlich organisierte Gasgesellschaften gegenüber kommunalen Be¬
trieben ein viel stärkeres Gewicht als in der Saarregion. Nicht zuletzt
weü es gelang, das technische und wirtschaftliche Risiko einer Gasbe¬
leuchtung aul Privatgesellschaften abzuwälzen, setzte der Boom in den
lokalen Gaswerksgründungen schon in den 60er-jahren des 19. Jahr¬
hunderts ein. 1867, als in der Saargegend erst in drei Städten eine Gas¬
versorgung bestand, hatten in der Pfalz bereits elf Gasanstalten den
Betrieb aufgenommen.
In Dürkheim richtete 1860 der Bierbrauer Daniel Baab eine kleine Gas¬
beleuchtungsanlage mit 50 bis 60 Flammen ein, mit der er seine Braue¬
reianlage, die dazugehörige Gaststätte und einige benachbarte Wohn¬
häuser versorgte. Da die Stadt befürchten musste, ein kommunales
Aufgabengebiet aus der Hand zu geben, errichtete sie 1865 ein städti¬
sches Gaswerk. In Neustadt schlugen schon 1859 mehrere Bürger die
Einführung der Gasbeleuchtung vor. Nach kontroversen Diskussionen
erteilte der Stadtrat im darauf folgenden Jahr seine Zustimmung. Der
Kaufmann Philipp Leonhard Mann, der Gutsbesitzer Wilhelm Seltsam
und die Rentnerin Elise Seltsam traten 1862 an den Stadtrat von Grün¬
stadt mit dem Vorschlag heran, eine Gasanstalt auf privater Basis zu er¬
richten. Der Konzessionsvertrag mit der ''Gasgesellschaft Mann &
Seltsam" - ursprünglich auf 25 Jahre begrenzt - wurde bis zum Bau ei¬
nes städtischen Gaswerks im Jahre 1903 alljährlich erneuert. In Germers¬
heim brachten 1866 mehrere Bürger eine Gasbeleuchtung ins Gespräch
und sammelten zu diesem Zweck von 120 Privatpersonen Anmeldun¬
gen für 500 Flammen. Daraufhin nahm das Bürgermeisteramt die
Dinge in die Hand, ließ einen Kostenvoranschlag aufstellen und vergab
im Oktober 1866 den Bauauftrag, sodass die Anlage im April 1867 er¬
öffnet wurde. Dagegen lehnte der Stadtrat in Kirchheimbolanden 1873 die
306