natürlich auf die Dauer nicht davon abgehalten werden konnten, die inzwischen bes¬
tens eingeführte, wahrscheinlich auch rentable Gasfernversorgung selbst gu betrei¬
ben"F.66 Nachdem nun die RAG sämtliche Kokereien des Kohlesyndikats
unter ihrer Verfügung hatte, baute die Essener Firma in den 20er und
30er-Jahren ihre Vormachtstellung in der deutschen Gaswirtschaft
kontinuierlich aus.6'
Zentralen Stellenwert in den Absatzplänen des Essener Unternehmens
kam dem Leitungsbau zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin zu. Denn
insbesondere Berlin garantierte eine riesige Bedarfsmenge - etwa 20
Prozent der damaligen Gaserzeugung Deutschlands. Dennoch machte
ein Leitungsbau nur Sinn, wenn es auch gelang, entlang der Hoch¬
druckleitung Städte und Gemeinden zum Übergang auf die Kokerei¬
gasversorgung zu bewegen.
Eine solche Stadt war Hannover. Schon Mitte der 20er-Jahre hatte die
Stadt mit einzelnen Ruhrzechen Verhandlungen über eventuelle Koke¬
reigaslieferungen geführt. Ein Vertrag kam aber ebenso wenig zustande
wie mit der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft, die in Hannover
eine Großgaserei errichten wollte. Da sich das städtische Gaswerk aber
immer weniger dem steigenden Bedarf auch der Großindustrie gewach¬
sen zeigte, nahm die Stadt 1927 Verhandlungen mit der AfK auf. Am
24. |anuar 1928 einigten sich beide Parteien über einen Liefervertrag in
Höhe von 50 Mio. Kubikmeter Gas jährlich. Damit gelang es erstmals
einem Ferngasversorgungsunternehmen, mit einer Stadt weit außerhalb
des Ruhrreviers einen Liefervertrag abzuschließen. Die wichtige
strategische Bedeutung des Vertrages lässt sich nicht zuletzt daran er¬
messen, dass die AfK das Kokereigas frei Behälter für 3,2 Pfg, pro Ku¬
bikmeter - bei einer Jahresabnahme von mehr als 70 Mio. Kubikmeter -
lieferte, ein Preis, der wahrscheinlich nur geringe Gewinnspannen zu¬
ließ. Industriekunden mit einem fahresverbrauch von über 125.000
Kubikmeter erhielten den Energieträger für drei Pfg. Darüber hinaus
erklärte sich die AfK damit einverstanden, von der örtlichen Zeche
Obernkirchen, welche sich im Besitz der Preußischen Bergwerks- und
Hütten-AG (Preußag) befand, jährlich 15 Mio. Kubikmeter Gas zu ei¬
nem Preis von vier Pfg. abzunehmen und in ihren Absatzmargen zu
66 Asriel (1930), S. 67
^ Berliner Tageblatt vom 14.11.1927: Das Vordringen des Ruhrgases; Verband
(1928), S. 31; Aktiengesellschaft (1927), S. 12; Vossische Ztg. vom 7.3.1928: Ausdeh¬
nung der A. G. für Kohleverwertung; zur Aufteilung des Aktienkapitals der Ruhrgas:
Deutsche Bergwerks-Ztg. vom 1.8.1928: Das Kräfteverhältnis bei der A.-G. für Koh¬
leverwertung
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