men des Kohlenhandels verschafften der Feinkohle keine zusätzlichen
Absatzmärkte. Sie kamen vielfach sogar unter den Gestehungskosten
auf den Markt: Preisen in diesem Marktsegment von nur 9,80 Mark
(Feinkorn) standen etwa im Oktober 1926 Preise für die sehr seltenen
Anthrazitnüsse von 44,60 Mark pro Tonne gegenüber. Schließlich ver¬
suchten die Zechen, die Feinkohle wegen ihrer schlechten Lagerfähig¬
keit in Kokskohle umzuwandeln. Gleichwohl stiegen die Haldenbe¬
stände im Verlaufe des Jahres 1925/26 auf 3,2 Mio. Tonnen Koks an.
Vor diesem Hintergrund suchten die Ruhrzechen nach Mitteln und
Wegen, um die jeweils schlecht verkäuflichen Sorten zu verwerten und
sie in eine Energieform umzuwandeln, die einen besseren Absatz ga¬
rantierte. Dafür kamen die Herstellung von Ol über die Kohlehydrie¬
rung oder Gas über die Verkokung in Frage.10
Obwohl seit 1926 in technischer Hinsicht die Voraussetzungen für eine
Ferngasversorgung bestanden, fehlte bis zu diesem Zeitpunkt eine selb¬
ständige Organisation oder Gasgesellschaft, die den Ausbau systema¬
tisch voranbrachte.11 Nach wie vor verteilte sich das Gasgeschäft im
Rhein-Ruhrrevier auf zwölf Zechengesellschaften und zwei Transport¬
gesellschaften, die das Gas von 25 Kokereien vertrieben. Da die einzel¬
nen Gesellschaften weniger denn je über das erforderliche Kapital ver¬
fügten, um ein überregionales Leitungsnetz aufzubauen und Kompres¬
sions- und Reinigungsanlagen zu errichten, blieben Kokereigaslieferun¬
gen überwiegend auf benachbarte Ortschaften beschränkt.12 Auch
Hugo Stinnes und August Thyssen, denen es noch vor dem Ersten
Weltkrieg gelungen war, die Kokereigasversorgung in das Bergische
Land auszuweiten, hatten es nicht geschafft, die Gasabteilung des RWE
nach und nach zu einer eigenständigen rheinisch-westfälischen Gasge¬
sellschaft auszubauen.13 Zwar gelang es dem RWE bis 1926, die jährli¬
che Kokereigasabgabe auf über 80 Mio. Kubikmeter zu steigern, doch
vermochte es nicht, einen Ausgleich zwischen dem steigenden Gas¬
überschuss der Kohlenzechen und dem Gasbedarf der revierfernen
Städte und Gemeinden herzustellen. Auf der einen Seite verhinderten
kommunale Widerstände in den revierfernen Regionen eine Ausdeh¬
Zum "Sortenproblem" vgl. Deutsche Großgasversorgung (1927), S. 18 ff.; Alexan¬
der (1927), S. 567; Jakob (1927), S. 255; Bolz (1927), S. 11; Heukeshoven (1928), S. 24
ff.; Baum (1928), S. 86; Dellweg (1934), S. 22 ff.; Pott (1935), S. 248
11 Allerdings gründeten die Thyssen-Werke 1921 eine eigene Gasgesellschaft, indem
sie die entsprechende Betriebsstelle aus der "Wasserwerk Thyssen & Cie. GmbH"
ausgliederten und als "Gasgesellschaft mbH" verselbständigten. Diese Gesellschaft
wurde wiederum 1927 in "Thyssensche Gas- und Wasserwerke GmbH" umbenannt;
vgl. Thyssengas (1981), S. 3 ff.
1'2 Vgl/Petzold (1912), S. 58
I3 Vgl. Klein (1921), S. 88; Classen (1958), S. 126
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