Der Kommunalisierungsprozess verlief jedoch nicht einheitlich, viel¬
mehr hing er von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, den politi¬
schen Verhältnissen, den Vertragsbestimmungen und den Strategien
der Vertragsparteien ab. Es lassen sich von daher vier Formen der
Kommunalisierung der Gasversorgung unterscheiden.
Im ersten Fall lief die Kommunalisierung darauf hinaus, dass die Städte
und Gemeinden von dem in den Konzessionsverträgen verbrieften
Recht Gebrauch machten, das bisher private Gaswerk nach Ablauf des
Versorgungsvertrages in eigene Regie zu übernehmen. Da die Erzeu¬
gungsanlagen i.d.R. zwar erweiterungsbedürftig waren, nicht jedoch
grundlegend modernisiert und umgestaltet werden mussten, blieben sie
nach der Kommunalisierung in Betrieb. Solche Übernahmen privater
Gaswerke vonseiten der Gemeinden fanden vor allem in den Mittel¬
städten statt, wo ein Neubau mit hohen Kosten verbunden gewesen
wäre. Zwar versuchten die Privatunternehmen, in langwierigen Ver¬
handlungen die Konzessionsverträge zu verlängern oder zumindest ei¬
nen hohen Verkaufspreis durchzusetzen, doch ließen sich die Gemein¬
den vor ihren Vorhaben nicht mehr abbringen. In manchen Fällen
führten die Übernahmeverhandlungen allerdings zu langwierigen Aus¬
einandersetzungen zwischen den beteiligten Parteien.
In St. Johann machte die Stadt von der Möglichkeit Gebrauch, das pri¬
vate Gaswerk der Firma Raupp in städtisches Eigentum zu überneh¬
men. Da der Gasabsatz von Anfang an hohe Zuwachsraten verzeich-
nete, und das Gaswerk eine lukrative Einnahmequelle darstellte, auf
welche die Stadt unter keinen Umständen verzichten wollte, machte sie
Raupp hinsichtlich der Kaufsumme Zugeständnisse und erwarb es
schließlich für 240.000 Mark. Am 1. Oktober 1887 ging das Gaswerk in
die Verfügung der Stadt St. Johann über.258
Ebenso wie in St, Johann nahm in Neunkirchen der Gasverkauf einen
stürmischen Verlauf. Stagnierte der Absatz zum Zeitpunkt der Über¬
nahme des Konzessionsvertrages durch die Thüringer Gas-Gesellschaft
(1890) bei etwa 750.000 Kubikmeter, gelang es dem Unternehmen
durch Erschließung neuer Absatzfelder und preispolitische Maßnah¬
men, den Absatz bis 1903 auf ca. 1,7 Mio. Kubikmeter mehr als zu ver¬
doppeln. Zuletzt hatte die Leipziger Firma noch 1898/99 durch Preis¬
nachlässe versucht, die Gemeindeverwaltung zu einer Verlängerung des
258 Zusammenstellungen (1888); vgl. Schneider (1959), S. 91; Emmerich (1977); 125
Jahre Gas (1982), S. 38
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