Full text: 75 Jahre Saar Ferngas AG

Der Kommunalisierungsprozess verlief jedoch nicht einheitlich, viel¬ 
mehr hing er von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, den politi¬ 
schen Verhältnissen, den Vertragsbestimmungen und den Strategien 
der Vertragsparteien ab. Es lassen sich von daher vier Formen der 
Kommunalisierung der Gasversorgung unterscheiden. 
Im ersten Fall lief die Kommunalisierung darauf hinaus, dass die Städte 
und Gemeinden von dem in den Konzessionsverträgen verbrieften 
Recht Gebrauch machten, das bisher private Gaswerk nach Ablauf des 
Versorgungsvertrages in eigene Regie zu übernehmen. Da die Erzeu¬ 
gungsanlagen i.d.R. zwar erweiterungsbedürftig waren, nicht jedoch 
grundlegend modernisiert und umgestaltet werden mussten, blieben sie 
nach der Kommunalisierung in Betrieb. Solche Übernahmen privater 
Gaswerke vonseiten der Gemeinden fanden vor allem in den Mittel¬ 
städten statt, wo ein Neubau mit hohen Kosten verbunden gewesen 
wäre. Zwar versuchten die Privatunternehmen, in langwierigen Ver¬ 
handlungen die Konzessionsverträge zu verlängern oder zumindest ei¬ 
nen hohen Verkaufspreis durchzusetzen, doch ließen sich die Gemein¬ 
den vor ihren Vorhaben nicht mehr abbringen. In manchen Fällen 
führten die Übernahmeverhandlungen allerdings zu langwierigen Aus¬ 
einandersetzungen zwischen den beteiligten Parteien. 
In St. Johann machte die Stadt von der Möglichkeit Gebrauch, das pri¬ 
vate Gaswerk der Firma Raupp in städtisches Eigentum zu überneh¬ 
men. Da der Gasabsatz von Anfang an hohe Zuwachsraten verzeich- 
nete, und das Gaswerk eine lukrative Einnahmequelle darstellte, auf 
welche die Stadt unter keinen Umständen verzichten wollte, machte sie 
Raupp hinsichtlich der Kaufsumme Zugeständnisse und erwarb es 
schließlich für 240.000 Mark. Am 1. Oktober 1887 ging das Gaswerk in 
die Verfügung der Stadt St. Johann über.258 
Ebenso wie in St, Johann nahm in Neunkirchen der Gasverkauf einen 
stürmischen Verlauf. Stagnierte der Absatz zum Zeitpunkt der Über¬ 
nahme des Konzessionsvertrages durch die Thüringer Gas-Gesellschaft 
(1890) bei etwa 750.000 Kubikmeter, gelang es dem Unternehmen 
durch Erschließung neuer Absatzfelder und preispolitische Maßnah¬ 
men, den Absatz bis 1903 auf ca. 1,7 Mio. Kubikmeter mehr als zu ver¬ 
doppeln. Zuletzt hatte die Leipziger Firma noch 1898/99 durch Preis¬ 
nachlässe versucht, die Gemeindeverwaltung zu einer Verlängerung des 
258 Zusammenstellungen (1888); vgl. Schneider (1959), S. 91; Emmerich (1977); 125 
Jahre Gas (1982), S. 38 
135
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.