rung - über die Eingliederung hinaus erhalten und mußten erst langsam an die neue
Situation angepaßt werden.120 Auf diese Weise scheint im Saarland eine Art be¬
sonderer Unternehmenskultur entstanden zu sein, die aus Sicht mancher Zeitgenossen
als Grundlage für die Eingliederung nach Deutschland denkbar ungeeignet war.
Sowohl die Art der Unternehmensfuhrung, die Anpassungsbereitschaft und -fahigkeit
als auch das Dispositionsverhalten der Wirtschaft fanden teilweise heftige Kritik.* 130
Ein prägnantes Beispiel für das Aufeinandertreflfen sehr unterschiedlicher Elemente
und Einflüsse in der Übergangszeit stellt die Behandlung der Schließung der Grube
St. Ingbert Anfang 1957 dar. Der Grubenstandort wurde ab Anfang des Jahres 1958
durch Umstrukturierungs- und Zusammenlegungsmaßnahmen de facto geschlossen,
nachdem die Anlage sich bereits in den 30er Jahren als unrentabel bzw. im Rahmen
der weiteren Ausbauplanung der Saargruben als nicht haltbar erwiesen hatte. Eine
Schließung der Grube war allerdings damals aus kriegswirtschaftlichen Gründen
nicht erfolgt und war auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst ausgeblie¬
ben.131
Interessant an dem Vorgang ist die Tatsache, daß bei Bekanntwerden der Schlie߬
ungspläne umgehend das zu diesem Zeitpunkt eigentlich in einer Umbruchsphase
befindliche Kabinett mit der Frage beschäftigt wurde. Dieses pflichtete einerseits der
Meinung der gegenüber der Schließung kritisch eingestellten Arbeitnehmervertreter
bei, akzeptierte aber andererseits prinzipiell die Notwendigkeit von Restrukturie¬
rungsmaßnahmen im Bergbau und vertrat allgemein den Standpunkt, daß eine vor¬
eilige Entscheidung in dieser Frage nicht getroffen werden solle, solange nicht der
neue Rechtsträger der Saarbergwerke gemeinsam mit der Bundesrepublik etabliert
sei. Dem wiederum stimmten die aufgebrachten Arbeitnehmervertreter zu, wobei sie
an ihrer Ablehnung der Schließung des Standorts festhielten, sich aber gleichzeitig
bereiterklärten, auch eine solche Entscheidung zu akzeptieren, falls sie vom neuen
Rechtsträger gefällt werden sollte.132 Letztlich erfolgte der Beschluß zur Schließung
Dohmen, Geld, S. 20.
130 Sehr deutlich hierzu Buddeberg, Verlagerung, S. 88. Zur Frage der unterschiedlichen Untemehmens-
kulturen v.a. im Mittelstand und dem Zusammenhang zu Grundfragen der nationalen Wirtschaftsorganisa¬
tion vgl. Meinolf Dierkes, Der Beitrag des französischen Mittelstandes zum wirtschaftlichen Wachstum,
Opladen 1969 (= Abhandlungen zur Mittelstandsforschung 39).
-i Vgl. hierzu Gerd Schuster, 200 Jahre Bergbau an der Saar (1754-1954), Bielefeld 1955. Sehr aufschlu߬
reich ist auch die mehr als 100 Seiten umfassende Zusammenstellung des Wirtschaftsministeriums zu
diesem Thema, die anscheinend angesichts des intensiven öffentlichen Widerhalls als Hintergrundmaterial
für die Presse angefertigt wurde, vgl. LASB StK Kabinettsregistratur, Anlage MW, Kabinettsvorlage
Wirtschaftsministerium v. 5.4.57,
132 LASB StK 1715, Kabinettsprotokol! v. 21.1.57. Das Protokoll gibt ausnahmsweise einige Passagen der
Sitzung wörtlich wieder, so z.B. die Argumentation der Arbeitnehmervertreter, die der Schließung
widersprachen, weil sie mit Verlegungen von Bergleuten auf andere Gruben - hauptsächlich Maybach und
Jägersfreude - verbunden sein würde: Dies sei unter anderem abzulehnen, weil die „Verlegung in einen
fremden Betrieb ... nicht zu einer Hebung der Arbeitsfreude“ beitrage.
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