Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970 (36)

Außenhandelsmaßnahmen ab Mitte des Jahres !957s9 blieben praktisch ohne Reflex 
in der wirtschaftspolitischen Gesetzgebungstätigkeit, Statt dessen wurden die sich 
daraus ergebenden Probleme fast durchweg im Kontext sozialpolitischer Debatten 
und Maßnahmen betrachtet, sowohl bei der Ausgestaltung des saarländischen Sozial¬ 
versicherungssystems als auch bei speziellen Ausgleichsmaßnahmen zur Kompensa¬ 
tion der Teuerung in den Lebenshaltungskosten.89 90 
Damit ist ein zentraler Punkt der Interpretation saarländischer Politik zur Ausge¬ 
staltung der Übergangszeit angesprochen. Zumindest in der parlamentarischen Aus¬ 
einandersetzung gewannen Themen, die eher im Bereich der Sozialpolitik anzusie¬ 
deln waren, deutlich an Aufmerksamkeit. Möglicherweise ist hierin der Versuch zu 
erkennen, den begrenzten Handlungsspielraum saarländischer Politik dadurch auszu¬ 
gleichen, daß unerwünschte Tendenzen der Übergangszeit sozialpolitisch abgefedert 
wurden. Dies trat besonders bei den Diskussionen um sogenannte Teuerungszulagen 
deutlich zutage, den Zuschlägen zu Sozialleistungen, die zum Ausgleich der be¬ 
sonders durch die Währungsentwicklung entstehenden Kaufkraftdefizite eingeführt 
wurden,91 Diese Maßnahmen standen neben der außerordentlich komplizierten 
schrittweisen Einführung von deutschem Sozialversicherungsrecht (bzw. dessen 
Vorbereitung), die größtenteils bereits im Jahr 1957 durchgeführt wurde. Die Teue¬ 
rungszulagen wurden in drei Wellen in den Jahren 1957 bis 195992 93 ausgebracht und 
standen in engem Kontext zu ähnlichen Maßnahmen in der Besoldung im Öffentli¬ 
chen Dienst. Deren Durchsetzung war allerdings sehr viel problematischer, weil sie 
noch enger mit dem Finanzierungsvorbehalt aus Bonn verknüpft waren.9' 
In den sozialpolitischen Maßnahmen und Diskussionen läßt sich der Versuch erken¬ 
nen, soweit wie möglich als positiv empfundene saarländische Sonderregelungen be¬ 
89 Schon seit Anfang des Jahres hatte die französische Regierung Devisenbeschränkungen für den Reise¬ 
verkehr (Devisenabgabe) erlassen, seit März wurden dann schrittweise scharfe Eingriffe in den Außen¬ 
handel (Bardepotpflicht, Sonderabgabe für Importe, Exportsubventionen) vorgenommen: Ziel der Ma߬ 
nahmen war eine Abschwächung des stark ansteigenden Importüberschusses, Ergebnis war eine faktische 
Abwertung des Franc, die sich allerdings in den einzelnen Wirtschaftssektoren sehr unterschiedlich 
auswirkte. Vgl. im einzelnen zur Außenhandelspolitik Frankreichs und ihren Auswirkungen auf das 
internationale Währungssystem: Hentschel, Zahlungsunfähigkeit, S. 1 I lfT. 
90 Als Ausnahme ist hier die Gründung der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Saar (gw-Saar) zu 
nennen, die koordinierende Funktion für die absatzfordernden und markterschließenden Maßnahmen der 
Saarwirtschaft übernehmen sollte und Beratungsfunktionen bei der Modernisierung saarländischer 
Unternehmen besaß, vgl. GW-Saar (Hg.), 25 Jahre im Dienste des Landes, Saarbrücken 1982. Diese 
Einrichtung stand in institutioneller Tradition der früheren Produktivitätszentrale, vgl. Saarländische 
Gemeinschaft zur Förderung der Produktivität (Hg.), 10 Jahre. Zum Modemisierungsprogramm der 
gw-Saar vgl. bspw. August Altmeyer u.a., USA-Mission 1956 „Banken und Sparkassen“, Saarbrücken 
1956. 
91 In der Öffentlichkeit riefen die inflationsbedingten Preissteigerungen erhebliche Unruhe aus, vgl. 
Entschließung der Arbeitskammer-Vollversammlung vom 28.11.1957 zur Frage der Preis- und Lohn¬ 
entwicklung an der Saar, in: Die Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes 5 (1957), 
S. 346-347. 
92 LTDS, 3. WP, Abt. I, 43. Sitzung v. 22.1.57, S. 1182ff; LIDS, 3. WP, Abt. I, 49. Sitzung v. 9.5.58, 
S. 1427ff; LTDS, 3. WP, Abt. I, 66. Sitzung v. 30.4.59, S. 1847fT. 
93 LTDS, 3. WP, Abt. I, 47. Sitzung v. 14.2.58, S. 1342. 
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