nächst eine Flucht in Sachwerte ein, die zu einem Umsatzschub im Einzelhandel
führte, dem allerdings ein noch stärkerer Einbruch 1958 gegenüberstand.62 63 Einiger-
maßen stabilisiert wurde die Entwicklung erst Ende 1958 durch neuerliche französi¬
sche Währungsmaßnahmen, die mit der nun endgültigen Abwertung des Franc den
Übergang zur neuen Währungspolitik der V. Republik einleiteten.6. Nicht zuletzt
aufgrund dieser Maßnahmen trat eine weitere Verstärkung des Warenaustauschs mit
Frankreich ein, die 1957 sogar zu nominell höheren Wachstumsraten Führte als der
Warenaustausch mit Deutschland - und dies auf insgesamt viel höherem Niveau.64
Die nach Sektoren differenzierte Statistik65 zeigt zudem, daß Frankreich eine stark
wachsende Bedeutung bei Exporten der verarbeitendenden Industrie sowie der Glas-,
Keramik- und Chemieindustrie zukam. Diese tendenziell wachstumsorientierten
Branchen verstärkten ihre Absatzerfolge in Frankreich deutlich, während die Export¬
erfolge in Deutschland in geringerem Maße eintraten.66 Trotz einer ansatzweisen
Liberalisierung der Außenhandelsbestimmungen Frankreichs, trotz der Einfuhrer¬
leichterungen in Deutschland und trotz der Erstattung der Grenzüberschreitungs¬
kosten durch das Saarland bestand nur eine geringe Fähigkeit der saarländischen
Industrie, Marktanteile in Deutschland zu erobern. Nennenswerten Einfluß hatte
allerdings die Zollbefreiung von aus Deutschland importierten Investitionsgütern, die
62 Ebd., S. 56. In der Zeitschrift der Arbeitskammer war bereits bei den Verhandlungen über den Saarver¬
trag das Währungsproblem Frankreichs als das wichtigste Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung
des Saarlandes angesehen worden; sollte bei der damals diskutierten Frage des Umstellungskurses und
-Zeitpunktes sich keine frühe, an der Kaufkraft orientierte Lösung durchsetzen, „werden wir [die Saarlän¬
der] wohl alle Phasen der einsetzenden französischen Währungskrise noch während drei Jahren am
eigenen Leibe miterleben müssen“, Prof. Dr. Aufermann, Der französische Kampf gegen die Inflations¬
gefahr, in: Die Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes 4 (1956), S. 265-267, hier:
S. 266.
63 Eine detaillierte Darstellung der währungs- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen in Frankreich im
Übergang von IV. zur V. Republik bietet: Helga Grote, Frankreichs Wirtschaftsreform 1958/1959.
Maßnahmen und Auswirkungen, Bonn 1964. Zur Einordnung des Währungsschnitts in die westeuropäi¬
sche Wirtschafts- und Währungsintegration vgl. Christoph Buchheim, Die Wiedereingliederung West¬
deutschlands in die Weltwirtschaft 1945-1958, München 1990 (= Quellen und Darstellungen zur Zeit¬
geschichte 31), hier: S. 188f., und Monika Dickhaus, Die Bundesbank im westeuropäischen Wiederaufbau.
Die internationale Währungspolitik der Bundesrepublik Deutschland 1948 bis 1958, München 1996 (=
Schriftenreihe des Instituts für Zeitgeschichte 72). Übrigens waren diese Maßnahmen im Saarland
durchaus nicht unumstritten, obwohl sie die lang ersehnte Stabilität der Währungsverhältnisse brachten,
denn ihr langfristiger Erfolg würde dem Saarland nicht mehr zugute kommen, vgl. Norbert Engel, Sitzen
wir alle in einem Boot?, in: Die Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes 6 (1958),
S. 321-322.
ы Stat. Amt d. Saarl. (Hg.), Saarländische Bevölkerungs- und Wirtschaftszahlen 9/10 (1957/58), S. 127ff.
Landesbank und Girozentrale Saar (Hg.), Wirtschaftsberichte 1958, Saarbrücken 1958, H. 3 S. 73.
65 Vgl. zu den methodischen Fragen der sektorspezifischen Analyse von Währungsungleichgewiehten
Roland Döhrn u. Antoine-Richard Milton, Marktpreise, reale Wechselkurse und internationale Wett¬
bewerbsfähigkeit, Essen 1998 (= Untersuchungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschafts¬
forschung 24).
66 Der Warenverkehr mit Deutschland entwickelte sich daher zwar ebenfalls stark ansteigend - vor allem,
was den Import angeht -, aber auf niedrigem Niveau. Stat. Amt d. Saarl. (Hg.), Saarländische Bevölke¬
rungs- und Wirtschaftszahlen 9/10 (1957/58), S. 134 und S. 14!.
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