gegebenenfalls auch ein Scheitern der Verhandlungen in Kauf nehmen zu wollen,
wenn die mit der Lösung der Saarfrage verbundenen Regelungen zu viele Zugeständ¬
nisse enthalten würden, die sich negativ auf die saarländische Wirtschaft auswirken
könnten.90 Die somit beschriebene sehr harte Linie der saarländischen Vertreter
wurde noch kurz vor der nächsten Verhandlungsrunde erneut fixiert.91 Diese verhärte¬
ten Positionen trafen in der nächsten Verhandlungsrunde zwischen den Staatssekretä¬
ren am 27. März 1956 mit aller Schärfe aufeinander, so daß der Leiter der deutschen
Delegation, Rolf Lahr, diese als die „weitaus härteste, die bisher in der Angelegenheit
Saar zwischen der Bundesrepublik und Frankreich geführt worden war“, charakteri¬
sierte.92 Der Saar-Regierung kam spätestens durch den Lahr’schen Bericht zur Kennt¬
nis, daß Edgar Faure die Verhandlungen sogar auf die Ebene der Regierungschefs
heben wollte,9' weil er selber zu keinen weiteren Konzessionen, insbesondere in der
Warndtfrage, berechtigt sei. Dagegen scheint Hallstein auch in der Frage der Ent¬
schädigung für französische Investitionen im Warndt die sehr harte saarländische
Linie, es handele sich um Investitionen auf Basis einer politischen Fehlspekulation,
vertreten zu haben.
Auch der Chef der saarländischen Staatskanzlei präzisierte am 27. März 1956 erneut
die saarländische Bereitschaft, ein mögliches Scheitern der Verhandlungen zu akzep¬
tieren, denn „ein vorübergehender Verzicht auf die Verwirklichung seiner [des
Saarlandes] Pläne“ sei „weit eher vertretbar als die Übernahme der Verantwortung
gegenüber der Bevölkerung für einen sich aus den Zugeständnissen ergebenden
wirtschaftlichen und sozialen Niedergang der Saar“.94 95 Ebenso hart verlief die Bera¬
tung im Kabinett, wo erneut auf dem saarländischen Junktim zwischen Moselkanal
und Warndtfrage beharrt wurde. Allerdings zeichnete sich gleichzeitig eine gewisse
Kompromißbereitschaft in der Frage der französischen Kohleförderung im Warndt
ab, insofern die maximal zuzugestehende Fördermenge von ursprünglich 40 auf nun
60 Mio. t erhöht wurde. Weitergehende Zugeständnisse seien, so der Beschluß weiter,
dann aber erst in der Endphase der Verhandlungen zu machen, und das auch nur,
wenn außenpolitischer Druck dazu zwinge und der Bestand der Saarwirtschaft
dadurch nicht in Gefahr geriete.9' Dieser Beschluß ist insofern bemerkenswert, als er
die saarländische Verhandlungslinie geradezu auf den Kopf stellte: Eigentlich hatte
man ja Zugeständnisse im Bereich des Moselkanals geplant, um die eigenen Forde¬
rungen unter anderem hinsichtlich des Warndts durchsetzen zu können. Eine weitere
90 LASB StK 1713, Kabinettsprotokoll v. 19.3.56. Vgl. hierzu auch die Einordnung der Moselkanalisie¬
rung als „Lebensfrage der Saarwirtschaft“ durch die Arbeitskammer: Probleme der Saarwirtschaft, in: Die
Arbeitskammer. Zeitschrift der Arbeitskammer des Saarlandes 4 (1956), S. 78.
LASB StK 1713, Kabinettsprotokoll v. 26.3.56.
92 LASB AA 436, Vermerk v. 27.3.56. „Die Verhandlungen ... drehten sich im Kreise“, so Ludwin Vogel,
Integrationspolitik, S. 268.
93 Lappenküper, Deutsch-französische Beziehungen, S. 1126.
94 LASB AA 436, Rundschreiben des Chefs der Staatskanzlei an die Kabinettsmitglieder v. 27.3.56.
95 LASB StK 1713, Kabinettsprotokoll v. 28.3.56.
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