Full text: Das Saarland im doppelten Strukturwandel 1956 - 1970

gangszeit.8" Auch präzise Positionen in der Warndtfrage wurden den französischen 
Forderungen entgegengesetzt; insbesondere die Festlegung auf den Bau mindestens 
einer neuen Schachtanlage im Warndt sowie einer Beschränkung der französischen 
Kohleförderung wurde schrittweise in die Verhandlungsposition der deutschen 
Delegation integriert/' An dieser Stelle zeichnete sich in der saarländischen Verhand¬ 
lungsführung eine wichtige Grundsatzentscheidung ab: Offenbar von der Vorstellung 
geprägt, in der Frage des Moselkanals auf einen zumindest zeitweisen Widerstand der 
deutschen Delegation aufbauen zu können, verknüpfte die saarländische Seite ihre 
Forderungen mit einer grundsätzlichen Ablehnung des Moselkanals. Soweit also die 
Rücknahme der deutschen Position schrittweise erfolgen würde, rechnete man sich 
wohl Chancen auf Durchsetzung der eigenen Forderungen aus. Das Kabinett beschloß 
dementsprechend, gegenüber der Bundesregierung die deutsche Verhandlungsbereit¬ 
schaft in der Frage des Moselkanals weiterhin scharf zu kritisieren. Es wies die 
saarländische Delegation an, Befürchtungen zu äußern, denen zufolge das Saarland 
durch diese Maßnahme zum „Notstandsgebiet“ werden könne - was in logischer 
Konsequenz allerdings ausreichende Ausgleichsforderungen weitgehend ausschloß: 
Selbst der Bau eines Saar-Pfalz-Kanals könne die negativen Wirkungen des Mosel¬ 
kanals tür das Saarland nicht kompensieren, zumal er aus technischen und finanziel¬ 
len Gründen wohl nicht realisierbar sein würde/2 
Die bereits wenige Tage später, am 17. März 1956, auf Ebene der Staatssekretäre 
durchgeführten Verhandlungen brachten einen ersten empfindlichen Fehlschlag der 
saarländischen Verhandlungsführung/' Das französische Junktim zwischen Mosel¬ 
kanal und allgemeiner Bereitschaft zur Lösung der Saarfrage machte die Bindung 
saarländischer Forderungen an Zugeständnisse hinsichtlich der Mosel im Prinzip 
schon obsolet. Schlimmer noch: Sie führte zu einerweiteren Verhärtung der saarlän¬ 
dischen Linie, die nunmehr sogar ein Scheitern der Verhandlungen in Kauf nehmen 
“ LASB AA 432, Stellungnahme v. 3.3.56. 
81 LASB AA 424, Memorandum v. 7.3.56, und LASB AA 424, Besprechungsprotokoll v. 8.3.56. 
82 Ebenso wenig würde die alleinige Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur (Elektrifizierung und 
Autobahnbau) ausreichen; allenfalls eine aus Sicht der EGKS problematische Senkung der Frachttarife 
wurde als Ausweg dargesteilt. Weiterhin formulierte das Kabinett weitreichende Forderungen in Hinblick 
auf die Wamdtfrage, die z.B. in bezug auf die Frankreich zuzugestehenden Fördermengen noch weit unter 
der zwischenzeitlich bereits fixierten deutsch-saarländischen Linie blieben, LASB StK 1713, Kabinetts¬ 
protokoll v. 12.3.56. ln gleicher Richtung, teilweise in der Formulierung und inhaltlichen Gestaltung aber 
noch schärfer: AA 130, Memorandum von Berghauptmann Schoenemann v. 13.3.56 zur Warndtfrage, und 
AA 432, Memorandum der Saar-Regierung zum Moselkanal v. 13.3.56. 
83 Zur ambivalenten Haltung in Deutschland zum Moselkanal, siehe: Marlies Kutz, Zur Geschichte der 
Moselkanalisierung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Überblick, in: dies. (Hg.), Moselkanalisie¬ 
rung, S. 9-110, hier v.a. S. 90ff. Die Vorgeschichte dieser Haltung bis zum Ersten Weltkrieg analysiert: 
Gertrud Milkereit, Das Projekt der Moselkanalisierung. Ein Problem der westdeutschen Eisen- und 
Stahlindustrie, in: Kutz (Hg.), Moselkanalisierung, S. 111-318. Ludwin Vogel, Integrationspolitik, 
S. 243ff., betont, daß die heftige Lobbyarbeit verschiedener Institutionen auf deutscher Seite - ins¬ 
besondere von den Industrie- und Handelskammern - nach den Verhandlungen Anfang März allerdings 
erst direkte Interventionen des Bundeskanzlers in dieser Frage nötig gemacht haben, bevor auf der Ebene 
der internationalen Verhandlungen Zugeständnisse gemacht werden konnten. 
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